Sonntag, 7. April 2019

Doktor des Massiertwerdens

Also in meiner ersten langen Winterseason in Thailand hatte ich ja meinen Bachelor des Massiertwerdens gemacht und die Season darauf dann meinen Master. Jetzt habe ich noch drei weitere Seasons endlich meinen Doktortitel erlangt. Und das war in der Tat ungleich schwieriger als mein naiver Anfängergeist beim Bachelor. Ich hab jetzt fünf halbe Jahre lange fast jede Woche mehrere Stunden Massage hinter mir. Und es ist wie so oft. Je mehr man weiß, desto mehr weiß man, dass man garnichts weiß.



Ich werde jetzt hier nicht auf die hunderten Stunden eingehen, die ich wieder genossen habe, sondern eher auf ein paar tiefer liegende Phänomene, die ich auf dem Weg verstanden (oder eben nicht verstanden habe). Am Anfang ist es relativ einfach mit der Massage. Man ist verspannt und die Muskeln sind hart. Da kann man eben ineffektiv westlich seicht vorgehen oder eben mit Thai Massage schmerzhaft das Grobe aufbrechen. Ich habe den Schmerz der Thai-Massage von Anfang an schätzen und lieben gelernt. Wohl wissen, dass er sich oft eben genau dann auflöst, wenn man ihn akzeptiert, sich hingibt und nicht mehr ablehnend gegen ihn ankämpft. Und ich wurde sehr schnell so weich, dass ich irgendwann garnicht mehr wusste, warum ich das überhaupt mache. Ich war für so lange Zeiträume so entspannt, dass ich garkeine Massage mehr "brauchte". Und das war sehr verwirrend, weil das ja der ursprünglich Hauptantrieb war. Und ich wollte sie wollen und hab natürlich trotzdem weiter gemacht, bis irgendwann alle grobstofflichen Verhärtungen verschwunden waren. Einmal habe ich am Strand von Koh Chang, kurz nach meinem jährlichen Vipassane Kurs, eine Thai-Oil Massage gemacht. Der ältere Thai konnte kein Wort englisch aber die Session war so magisch. Als hätten sich zwei Meister getroffen. Er hat so langsam und so doll und so tief überall reingerückt. Es war als würde ich mich völlig in Luft auflösen und fast garnicht mehr existieren. Ich musste im grunde auch fast nicht mehr atmen, als er sogar seine Hand durch meinen Bauch bis zur Wirbelsäule gedrückt hat. Es war so eine Erleuchtungssession, die mich aber für viele weitere Monate verwirrt zurückgelassen hat.

Ab jetzt funktionierte der Ansatz hartes mit hartem weich zu machen nicht mehr. Es war alles weich und ich bin quasi beim Skelet angekommen. Naja, ich habe dann viele seltsamere Sachen ausprobiert inklusive Tantra-, Angel-, Nuru- und verschiedenen Organ-Massagen. Aber nach ewigem weiterem Rumexperimentieren und vielen soliden Stunden, habe ich dann verstanden, dass irgendwie wieder alles von vorne losgeht. Nur eben auf einer anderen Ebene. Die erste Ebene war quasi rein grobstofflich. Und die nächste ist feinstofflich. Und da musste ich wieder gaaaaaaanz ganz weich anfangen. Deswegen habe ich in der letzten Season fast nur sehr lange und weiche Oil-Massagen gemacht. Wobei die manchmal auch noch zu hart waren. Was jetzt scheinbar meinem Anfangsstatement widerspricht. Aber das ist wohl öfter so, dass höhere Entwicklungsstufen, sehr niedrigen Stufen ähneln und aus Sicht der mittleren Stufen sehr verwirrend aussehen. Die besten Massagen diese Season waren dann lustigerweise Japanische Haare auf meinem Bauch Massage oder Ventilator Wind auf meinem Rücken Massage! Oder die vorletzte Session Chi Nei Tsang auf Koh Phangan. Ausschließlich tief in den Bauch vordringen. Ganz zum Schluss bin ich dann nochmal da hin wo ich meine aller erste Massage hatte (siehe Bild). Und ich bin so unendlich dankbar für all die Hände und Menschen die mir ihre Energie gegeben haben. Für die kichernden Ladys bei Lotus und für alle Ecken von Thailand in denen sich die verschiedenen Styles entwickelt haben. Und ich bin auch generell dankbar, dass die Grundlage davon die östliche Philosophie ist. In ganz Asien hat sich eine so fundamental andere Sicht auf die Dinge entwickelt. Sichtweisen die so weich und weise sind und von denen ich so viel gelernt habe. Letztendlich so viel, dass kein Doktortitel irgendwas ausdrücken kann. All das Wissen und die Erfahrung zeigen mir immer mehr, wie wenig wir wissen. Und in diesem Sinne zitiere ich zur Promotionsfeier mal meinen Vater: "Wissen ist Macht, und Nichts wissen macht auch nichts."

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