„Heute
ist der 24.12.2007. Rechnet mal die ersten beiden Zahlen zusammen. Wer hätte
das gedacht. Zum Glück erwarte ich sehr selten was, aber der Januar Lätta hatte
Recht. WAS passiert, hatte ich also ausnahmsweise mal richtig erwartet. Aber
nicht: WIE. 2007 alter, es ist das Jahr in dem ich 36 geworden bin. Aber dazu
später mehr.
Es
fing gaaaanz oben an. Ein unvergleichlicher magischer Rausch voller Liebe und
Energie. Wir hatten alle unsere 2006 Schelle bekommen und der Croupier hat den
Generationenwechsel schon geahnt. Der riesige VW Bus voller Feierei raste in
einem Höllentempo den Berg runter. Früher oder später musste er irgendwo
gegenprallen. Wir waren ganz oben und im Nachhinein ist mir auch klar, dass es
von dort nur eine Richtung gibt. Es konnte nur nach unten gehen. Die übliche
Achterbahn, nur werden die Hügel immer länger und größer. Das hier ist der 24te
Newsletter und ich hab immer drauf zugearbeitet. Mir überlegt was im 24ten drin
steht. Für alle die es nicht wissen, die 24 steht für Perfektion. Man kann mit
ihr alle beliebigen mathematischen Operationen durchführen und es bleibt immer
grade. Selbst die einzelnen Ziffern kannst du rumschmeißen wie du willst, ein
perfektes System kriegt man nicht kaputt. 24 ist höher als die meisten
Glückszahlen und hat trotzdem all diese reinen Eigenschaften. Diese Zahl ist
perfekt. Zu perfekt.
Nach
und nach wurde mir immer mehr klarer, wie weit in diesem Punkt die Theorie von
der Praxis weg ist. Theoretisch gibt es Perfektion, und das Streben dahin
bewerte ich auch immer noch als positiv. Aber nicht mehr als das wichtigste.
Das Ziel wird in der Realität nie erreicht. Es ist nicht mehr Kern meiner
Überzeugung alle Staßen grade zu bauen.
Aber
es ist ja erst Montag bzw. Januar. Da sitzen wir nun alle in diesem VW Bus und
brettern die geile Lebenspiste runter. Zu dem Zeitpunkt merkt man natürlich
noch garnix, weil man vom Rausch so geflashed ist. Mit Jamon und Aeon hatte die
Köpi 7 jetzt auch ihre Haustiere und wird für mich immer mehr zu einem
richtigen zuhause. Morgens gabs göshliches Frühstück und abends n Bond. Die
Ruhe vor dem ersten Sturm wirbelt mehr Zeit von der Feierei zur Kultur. So
langsam mit gehobenem Alter springt man doch schon seltener in die Spree. Aber
da war ja noch was. Ach ja. China
Der
VW Bus wurde zur Bahn und wir fuhren alle zusammen vollspeed. Rache is auch ne
Energiequelle. Es wollte nicht aufhören aber es musste aufhören. Meine Güte wie
oft hab ich geheult als mir das mehr und mehr ins Bewusstsein rückte. Ich danke
euch für die Zeit. Braten, Weinisage, Frog Dog, Lachs und Kaninchen und
Community und Liebe. Ich verabschiedete mich von meiner Heimat am Hamburger
Schauspielhaus. Ich sollte dort schon bald mit anderen Augen andere Sachen
sehen.
Aus
dem Wüstenwind kam ein fetter Amischlitten ebenfalls mit vollspeed angedonnert.
Wir sind irgendwo in der Nähe von Barstow am Ende der Wüste. Am 4. März um 5:30
morgens weckte mich der Soundtrack von „Fear and Loathing in Las Vegas“. Ich
war mal mit meinem Papa in Las Vegas und fands richtig geil 5 Stunden nur grade
aus zu fahren. Durch die Wüste in die blinkende, aus dem Boden gestampfte Gude
Laune Stadt. Das war mein altes Leben. Jetzt ging es in die andere Richtung. 36
Stunden lang ostwärts um die Erde. Nach so vielen Tränen kommt die Zeit, an der
man sich Mut machen muss und ich sagte mir: „A new day in a new life“.
Da
bin ich nun von der einen Maurer zur anderen und warte auf meinen Kulturshock.
Aber das Wort ließ noch eine Weile auf sich warten. Kein Wunder, an gute
Lebensbedingungen gewöhnt man sich gerne und schnell. Oh man ging es mir da
gut, ich hab die Lebensqualität in vollen Zügen genossen. Ich habe köstlich,
viel, interessant und günstig gegessen. Ich habe mich ewig lange in die
Teehäuser gesetzt und gelesen, philosophiert, reflektiert, entspannt und die
Kultur und das Bier nur so in mich reingeschaufelt. Mit Flip-Flops und
Unterhemd durch die Straßen einer entspannten Millionenmetropole geradelt.
Irgendwann kam sogar bei mir eine westliche Shoppingader durch und ich habe
fast dekadent gelebt. Der Bart wurde immer länger und wir wurden fast wie Stars
behandelt. Diese Grenze hatte ich schon mal genascht. Ein bisschen erschreckend
allerdings, dass hier jeder in die Richtung strebt, die ich doch ablegen
wollte. Die Straßen waren hier auch grade und alles blinkt. Hm, das kann’s doch
nicht sein.
Ich
habe die beeindruckenden Sachen gesehen, für die das Reich der Mitte weltweit
bekannt ist. Ich habe allerdings auch genügend Zeit und Raum gehabt alles drum
herum zu sehen. Der große Buddha von Leshan, das größte Gebirge der Erde mit
seinen 7000ern, den markanten Emei-shan und das Tal der sieben tibetanischen
Dörfer. Die größte Wohnmetropole der Welt, den dritt größten Fluß durch die
berühmten drei Schluchten zum viel diskutiertem Damm. Ich habe allerdings auch
den ältesten und unzählig viele kleine Dämme gesehen. Ich habe die Sprache mit
Hilfe der abstrakten Schriftzeichen gelernt und meinen chinesischen Namen
angenommen. Die Geschichte hinter den Zeichen hat mir das Gefühl gegeben diese
Kultur mehr zu verstehen. Neben dem Reisen habe ich dort auch richtig gelebt.
Ich habe mich integriert, habe jetzt chinesische Freunde und hab mit ihnen
zusammen Zeit verbracht. Ich habe an meinem 36ten Geburtstag Weihnachtsbäume
aus dem Fenster geschmissen und bin als Vampir durch Hotels gesprungen. Fast
überheblich reagier ich jetzt auf die idiotische Googlehalbwissenmedienwelt.
Neben
der neuen Kultur habe ich auch eine alte kennen gelernt. Meine eigene. je
weiter weg von der Heimat desto mehr verdeutlicht sie sich. Mir sind so viele Eigenschaften
aufgefallen und ich hatte die Zeit sie nachzuverfolgen. Ich kann nachvollziehen,
warum ich bin wie ich bin. Organisation, Verlässlichkeit, Kreativität, Käse und
sogar ein bisschen Disziplin. Mir ist klar wo ich herkomme und identifiziere
mich auch noch damit. Seemannsblut und Spiritualität. Europa, Schlaaand,
Norden, Hamburg und der Hafen. Wow ich hab die erste fette Frage beantwortet.
Ich weiß wer ich bin.
Na
dann auf zur nächsten. Wo will ich hin. Viele vor mir haben die Antwort auf die
zweite Frage im Ausland gefunden. Für mich sollte es besonders symbolisch
werden. Ich habe in den Jahren zuvor genug ausprobiert. Langsam musste sich mal
eine Richtung entwickeln. Dafür habe ich haufenweise Informationen über mich
selber gesammelt. Ideen, Systeme, Sprachmemos, Stärken, Schwächen, WIN-WIN
Situationen und falsche Lösungen. An irgendeinem schönen Pool-Tag hab ich am
Abend für uns einen Shake gemacht. Gemixt aus dem berühmtem Wawatoeis, ein
bisschen Milch und vielen Mangos. Die Farbe des Shakes war so hübsch, wenn ich
mal ein Haus habe, will ich das in dieser Farbe streichen lassen. Mangos sind
an sich schon mal ne WIN-WIN Situation. Lecker und gesund. Ich habe die
unzähligen WIN-WIN Situationen die ich bereits gesammelt hab, mal an die Mango
angehängt um eine WIN-WIN-WIN-WIN….. Situation zu kreieren. Ich packe die
geistige Reise jetzt mal symbolisch in eine echte Reise. Ich war in der Mitte
von China am Rande des Himalajas. Ich als Hamburger Jung bin ins Boot gestiegen
und den Jangtse Flussabwärts gefahren. Dieser mündet bei Shanghai in den
Pazifik. Dort habe ich dann auch ne weile gelebt und meine Antwort gefunden. Am
07.07.07 war Live Earth in Shanghai und Hamburg. Am 24.07.07 bin ich
sprichwörtlich „Back to the Ocean“ gefahren und sah im Jangtse Mündungsdelta
die Insel Chongming. Ming ist das erste Zeichen meines Vornamens. Die Insel
soll in Zukunft für Nachhaltigkeit stehen und mein Name auch.
Zum
Schluss wurde ich noch mal sensibel. Ich konnte dem Druck nicht mehr
standhalten und China hat mich genervt. Es war zu viel und ich wollte endlich
wieder nach Hause. Dorthin wo alles ist wie immer. Da wo sich nix ändert.
Irrtum! Berlin ist anders, Mediaspree steht da, Ballermanneasyjetravertouristen
rennen über die Warschauer Brücke und die Community ist zerfleddert. Alles
kaputt, nein sie haben die KÖPI geräumt. Das darf nicht wahr sein. Mir war
alles fremd. Scheiße vielleicht bin es nur ich, der sich geändert hat. Oder
viel schlimmer, beides. Der Bart ist tatsächlich im Tresor gelandet. Ich steh
vor einem Trümmerhaufen. Wie soll ich das akzeptieren? Ich schreie KÖPI bleibt.
Trotzig schrei ich, es sind eure Wünsche. Wünscht euch eure Wünsche. Ich war
gelähmt. Das ist ein Kulturshock. Niemand kennt mich mehr. Ich bin jetzt 36.
Ich bin gelähmt.
Weg,
bloß weg. Wieder flüchten. Ja ja, als ob das so einfach wäre. Ist es natürlich
nicht, aber ich brauchte Ruhe. Ich bin auf dem Mittelmehr rumgeschippert und
war kein bisschen da. In meinem Gepäck waren so viele Probleme. Viele davon
waren Zwickmühlen. Es kam mir vor wie ein riesiger Berg von Problemen den ich
oft gar nicht mehr sehen wollte. Ich kam mir vor wie eine Waage die keineswegs
das Gleichgewicht findet, sondern unter der Last einfach zerbricht. Ich habe
mich über das Mittelmehr lustig gemacht und meinte: ha, ich kenn den Ozean. Wie
überheblich. Ich habe zum Glück sofort die zweite Schelle bekommen. Es geht
nicht um Oberflächlichkeit. Scheiß auf die Quantität, ich will jetzt Qualität.
Schnell zurück in die echte Heimat. Da steh ich nun wieder am Schauspielhaus. Und
was seh ich da? Ming. Ein Chinarestaurant welches das Ming Zeichen in seinem
Namen trägt. Mein Name. Der der für Nachhaltigkeit stehen soll. Qualität gibs
nur langfristig. Den höchsten Level von Glück Mister Kierkegaard. Geat alter
ich will mit dir in 100 Jahren noch am Teich sitzen und Flens trinken. Mama,
Papa, Oma. Hey, schön euch kennen zu lernen. Ich weiß jetzt wer ihr seid weil
ich weiß wer ich bin. Swästa, das ist so schön, ich kann mich immer auf dich
verlassen. Und YT. Ich würde gerne den Rest meines Lebens mit dir Super
Nintendo spielen.
Ich
bin zurück in Berlin. Ich hab den Problemberg souverän und egoistisch abgebaut.
Ich blick objektiv auf China zurück und hab den Kulturshock beendet. Danke
China ich liebe dich. Ich hab den Rest meines Lebens übrig und weiß genau was
ich damit anfangen will. Ich studiere Marketing und Nachhaltigkeit um die
Rettung der Welt zu vermarkten. Letztes Jahr waren wir Weltmeister der Herzen,
diese Jahr erst Handball, dann Frauenfußball und jetzt auch noch Weltmeister im
Weltretten. Der Himmel ist blau, das Tuborg Weihnachtsbier ist kalt gestellt.
WeHelp und Chile stehen in den Startlöchern. Ich mach in Canada das Licht aus.
Ich habe noch nie so viel geweint wie in diesem Jahr, es hat sich gelohnt, in
2008 geht’s laaaaaaaang Berg auf.
In
diesem Sinne wünsch ich euch merry Kreuz-mas.“
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