Freitag, 24. November 2017

Möchten sie wirklich 7 Sorten Tee zum Frühstück?

Das zwanzigunddritte Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. November 2007. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.


Das Telefon klingelte. Ich ging ran ohne die Augen zu öffnen. Und das erste war diese Frage. Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Aber ich lag mit Jacke und voll angezogen quer auf einem Bett. Schick eingerichtetes Zweibettzimmer. Vermutlich fünf Sterne Hotel. Meine Gegenfrage war also: „Wo bin ich?“. Naja als ich das Badezimmer gesehen habe, war mir klar, dass ich malwieder übertrieben habe. Und das habe ich oft und gerne getan. Im Grunde kann man sagen, dass ich ca zehn Jahre meines Lebens verfeiert habe. Und das finde ich super. So ein Champagner-Blackout-Kater ist die perfekte Ausgangsposition die Welt zu retten. Ich passte damit zwar nicht ins klassische Schema der Weltretter. Einem typischem Hippie würde das nicht passieren und die hatten ja bekanntlich die Weisheit der Weltrettung mit Löffeln gefressen. Aber jetzt kann ich meinem Hippie Hass ja mal freien Lauf lassen. Die Hippies sind gescheitert. So viel steht fest. Sie haben die Welt nicht gerettet sondern immer nur gegen alles mögliche Protestiert. Open Love, Peace and Drugs haben auch irgendwie nicht funktioniert. Am besten fand ich die Szene wo Uschi Obermeier mit den Rolling Stones abgezischt ist. Da war selbst das Oberkommunen-Ego gekränkt. Naja ums abzukürzen sind die Hippies an einer vertrackten Sache gescheitert. Alle Kulturstufen vorher sind irgendwie laut und offensichtlich gescheitert. Zuletzt die technologische, rational, wissenschaftliche mit der Explosion der Atombombe.

Aber was haben die Hippies (und all die Leute die denken sie sind keine Hippies aber natürlich trotzdem welche sind) verkackt. Der höchste Wert war immer die Toleranz. Sie haben ganz offen alles und jeden toleriert. Jeden noch so absurden subkulturellen Wert. Freie Liebe, Multikulti und jeder durfte im Kreis mittanzen. Aber eine Sache haben sie nicht toleriert und zwar die Intoleranz. Klingt im ersten Schritt logisch, bedeutet aber im Umkehrschluss dass sie im Grunde alle anderen die nicht so tolerant waren wie sie, abgelehnt haben. Aber irgendwie selbst diesen Widerspruch nie bemerkt haben. Es ist auch echt vertrackt, wenn man in einer verdrehten Wertewelt von innen raus gucken soll. Naja egal ich werde das jetzt nicht weiter erklären, weil die Hippies das eh nicht verstehen werden und langsam versauern.

Mein Blick war nach vorne gerichtet. Ich wollte die Welt retten, war aber an diesem Morgen definitiv nicht der typischen Weltretterkategorie zuzuordnen. Die bösen Reichen, die in den fünf Sterne Hotels Champus saufen galten ja eher als die Zerstörer. Aber das war ich auch nicht. Und das führt mich zu immer wieder dem gleichen Punkt und evtl auch mal rotem Faden von diesem Buch. Bis hierhin war menschheitsgeschichtlich irgendwie immer ein ODER zwischen wichtigen Paaren. Zeit oder Geld, Arbeit oder Leben, Egoismus oder Sozial. Mich hat das nie wirklich überzeugt. Das mag früher alles so gewesen sein und in vielen Köpfen ist dieses "Oder" immer noch so starkt, dass es ja tatsächlich auch Wirklichkeit ist. Aber eben nur genau deswegen, weil es in den Köpfen ist. Und in meinem war es nicht. Ich sah nicht ein warum ich als Weltretter nun ein schlechtes Gewissen haben sollte, wegen den sieben Tee Sorten. Kann doch bio und Fairtrade-Tee sein. Oder noch besser wäre Fair Trade Champagner am Abend davor. Oder gar Fair Trade Koks. Jeder lacht immer darüber, aber ich meinte das wirklich ernst. Why not? Man kann doch ein geiles Leben haben und dabei die Welt retten. Inzwischen sehe ich meine Reisen als globale spendenartige Reichtumsverschiebung. In armen Ländern freuen sich die Leute über das überproportional wertvollere Trinkgeld viel mehr. Und ich lerne noch andere Sprachen dabei. Ist doch geil. Aber ich werde das noch mehr mit meinen Taten ausführen dachte ich. Sowas hier zu schreiben versteht dann eh wieder keiner, bzw wird es immer angezweifelt und hinterfragt. Logisch, da man ja meistens in einer der "Oder" Schubladen drin steckt. Und wenn man sich lange genug eingeredet hat, zwischen seiner und der anderen Schublade ist ein Oder dann kann sich das nur verändern wenn einer ganz offensichtlich und laut damit angibt genau beides zu machen. UND zwar gleichzeitig.

Zu der Zeit war das Zauberwort dafür LOHAS. Lifestyle of Health and Sustainability. Das wichtigste Element hierbei war natürlich STYLE. Auf den grad abfahrenden Zug bin ich natürlich voll aufgesprungen. Aber dazu später mehr. Vielleicht aber auch nicht.




Zu dem Artwork gäbe es natürlich auch mal wieder endlos viel zu sagen. Wieder mein chinesischer Name. Wieder von vier verschiedenen Fotos. Wieder mit einer Geschichte hinter jedem Foto. Diesmal als Stencil-Graffiti auf einem alten Bild. Und zwar in altchinesischer Anordnung. Das Bild war aus der Haushaltsauflösungsfirma, die ich mit meinem Vater gegründet hatte. Diese alten staubigen Bilder für die ich schon eine Art Blindheit entwickelt habe. So wie die Werbebanner die man inzwischen einfach automatisch übersieht, haben diese alten gemalten Kunstwerke für mich vollkommen an Wert verloren. Aber durch das rüber sprühen kommen sie irgendwie zurück. Den Effekt mochte ich und den hatte ich schon tausendfach mit meinem legendären Chromkasten verwirklicht. Auch mal den Rahmen zurückholen und Linien ins Bewusstsein holen die sonst vom Autofilter aussortiert worden wären. Und natürlich auch die Farben. Meine selbst eingebildeten Phasen a la Picasso. Vom gefühlvollem blau zum auffälligem gelb, hin zum extravaganten pink. Und dann wieder zurück zum Blau. Ewig konnte ich mich in die Symbolik reinsteigern und dann die verschiedenen Symboliken auch noch verketten und verschachteln. Für den Betrachter völlig nutzlos und nur für mich die absolute Assoziationsrakete. Und auch hier sind alt und neu verknüpft. Das alte Bild mit den dunklen Farben und die knalligen neuen Farben drauf. Die alte Kunst im Rahmen und das moderne Street-Art Zeugs über den Rahmen hinaus. Die uralten chinesischen Schriftzeichen aber digital aus einer großen Datenbank zusammengewürfelt. Und auch das ist im Grunde wieder nachhaltig. Das alte Kunstwerk wäre Müll gewesen da sowas auf dem Flohmarkt auch keiner mehr will. Durch das unaufwändige Upcycling war es auf einmal ein ziemlich geiles Geschenk. Ein Win-Win Verkettung die hier überhaupt erst ihren symbolischen Anfang gefunden hat. Den ein großer simpler Gedanke hat hier seinen Ursprung. Nachhaltigkeit ist einfach, langfristig das cleverste zu tun. Denn wenn man den Zeitstrahl vergrößert und aus dem Bild herrauszoomt, dann löst sich jedes "Oder" auf. Das ist 36. 

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