Das
Telefon klingelte. Ich ging ran ohne die Augen zu öffnen. Und das erste war
diese Frage. Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Aber ich lag mit Jacke und voll
angezogen quer auf einem Bett. Schick eingerichtetes Zweibettzimmer. Vermutlich
fünf Sterne Hotel. Meine Gegenfrage war also: „Wo bin ich?“. Naja als ich das
Badezimmer gesehen habe, war mir klar, dass ich malwieder übertrieben habe. Und
das habe ich oft und gerne getan. Im Grunde kann man sagen, dass ich ca zehn
Jahre meines Lebens verfeiert habe. Und das finde ich super. So ein Champagner-Blackout-Kater ist die perfekte Ausgangsposition die Welt zu retten. Ich passte
damit zwar nicht ins klassische Schema der Weltretter. Einem typischem Hippie würde
das nicht passieren und die hatten ja bekanntlich die Weisheit der Weltrettung
mit Löffeln gefressen. Aber jetzt kann ich meinem Hippie Hass ja mal freien
Lauf lassen. Die Hippies sind gescheitert. So viel steht fest. Sie haben die
Welt nicht gerettet sondern immer nur gegen alles mögliche Protestiert. Open
Love, Peace and Drugs haben auch irgendwie nicht funktioniert. Am besten fand
ich die Szene wo Uschi Obermeier mit den Rolling Stones abgezischt ist. Da war
selbst das Oberkommunen-Ego gekränkt. Naja ums abzukürzen sind die Hippies an
einer vertrackten Sache gescheitert. Alle Kulturstufen vorher sind irgendwie
laut und offensichtlich gescheitert. Zuletzt die technologische, rational,
wissenschaftliche mit der Explosion der Atombombe.
Aber
was haben die Hippies (und all die Leute die denken sie sind keine Hippies aber
natürlich trotzdem welche sind) verkackt. Der höchste Wert war immer die
Toleranz. Sie haben ganz offen alles und jeden toleriert. Jeden noch so
absurden subkulturellen Wert. Freie Liebe, Multikulti und jeder durfte im Kreis
mittanzen. Aber eine Sache haben sie nicht toleriert und zwar die Intoleranz.
Klingt im ersten Schritt logisch, bedeutet aber im Umkehrschluss dass sie im
Grunde alle anderen die nicht so tolerant waren wie sie, abgelehnt haben. Aber
irgendwie selbst diesen Widerspruch nie bemerkt haben. Es ist auch echt
vertrackt, wenn man in einer verdrehten Wertewelt von innen raus gucken soll.
Naja egal ich werde das jetzt nicht weiter erklären, weil die Hippies das eh
nicht verstehen werden und langsam versauern.
Mein
Blick war nach vorne gerichtet. Ich wollte die Welt retten, war aber an diesem
Morgen definitiv nicht der typischen Weltretterkategorie zuzuordnen. Die bösen
Reichen, die in den fünf Sterne Hotels Champus saufen galten ja eher als die
Zerstörer. Aber das war ich auch nicht. Und das führt mich zu immer wieder dem
gleichen Punkt und evtl auch mal rotem Faden von diesem Buch. Bis hierhin war menschheitsgeschichtlich irgendwie immer ein ODER zwischen wichtigen Paaren. Zeit
oder Geld, Arbeit oder Leben, Egoismus oder Sozial. Mich hat das nie wirklich
überzeugt. Das mag früher alles so gewesen sein und in vielen Köpfen ist dieses "Oder" immer noch so starkt, dass es ja tatsächlich auch Wirklichkeit ist. Aber
eben nur genau deswegen, weil es in den Köpfen ist. Und in meinem war es nicht.
Ich sah nicht ein warum ich als Weltretter nun ein schlechtes Gewissen haben
sollte, wegen den sieben Tee Sorten. Kann doch bio und Fairtrade-Tee sein. Oder
noch besser wäre Fair Trade Champagner am Abend davor. Oder gar Fair Trade
Koks. Jeder lacht immer darüber, aber ich meinte das wirklich ernst. Why not?
Man kann doch ein geiles Leben haben und dabei die Welt retten. Inzwischen sehe
ich meine Reisen als globale spendenartige Reichtumsverschiebung. In armen
Ländern freuen sich die Leute über das überproportional wertvollere Trinkgeld
viel mehr. Und ich lerne noch andere Sprachen dabei. Ist doch geil. Aber ich
werde das noch mehr mit meinen Taten ausführen dachte ich. Sowas hier zu
schreiben versteht dann eh wieder keiner, bzw wird es immer angezweifelt und
hinterfragt. Logisch, da man ja meistens in einer der "Oder" Schubladen drin
steckt. Und wenn man sich lange genug eingeredet hat, zwischen seiner und der
anderen Schublade ist ein Oder dann kann sich das nur verändern wenn einer ganz
offensichtlich und laut damit angibt genau beides zu machen. UND zwar
gleichzeitig.
Zu
der Zeit war das Zauberwort dafür LOHAS. Lifestyle of Health and
Sustainability. Das wichtigste Element hierbei war natürlich STYLE. Auf den
grad abfahrenden Zug bin ich natürlich voll aufgesprungen. Aber dazu später mehr.
Vielleicht aber auch nicht.
Zu
dem Artwork gäbe es natürlich auch mal wieder endlos viel zu sagen. Wieder mein
chinesischer Name. Wieder von vier verschiedenen Fotos. Wieder mit einer
Geschichte hinter jedem Foto. Diesmal als Stencil-Graffiti auf einem alten Bild.
Und zwar in altchinesischer Anordnung. Das Bild war aus der
Haushaltsauflösungsfirma, die ich mit meinem Vater gegründet hatte. Diese alten
staubigen Bilder für die ich schon eine Art Blindheit entwickelt habe. So wie
die Werbebanner die man inzwischen einfach automatisch übersieht, haben diese
alten gemalten Kunstwerke für mich vollkommen an Wert verloren. Aber durch das
rüber sprühen kommen sie irgendwie zurück. Den Effekt mochte ich und den hatte
ich schon tausendfach mit meinem legendären Chromkasten verwirklicht. Auch mal
den Rahmen zurückholen und Linien ins Bewusstsein holen die sonst vom
Autofilter aussortiert worden wären. Und natürlich auch die Farben. Meine
selbst eingebildeten Phasen a la Picasso. Vom gefühlvollem blau zum auffälligem
gelb, hin zum extravaganten pink. Und dann wieder zurück zum Blau. Ewig konnte
ich mich in die Symbolik reinsteigern und dann die verschiedenen Symboliken
auch noch verketten und verschachteln. Für den Betrachter völlig nutzlos und
nur für mich die absolute Assoziationsrakete. Und auch hier sind alt und neu
verknüpft. Das alte Bild mit den dunklen Farben und die knalligen neuen Farben
drauf. Die alte Kunst im Rahmen und das moderne Street-Art Zeugs über den
Rahmen hinaus. Die uralten chinesischen Schriftzeichen aber digital aus einer
großen Datenbank zusammengewürfelt. Und auch das ist im Grunde wieder nachhaltig. Das alte Kunstwerk wäre Müll gewesen da sowas auf dem Flohmarkt
auch keiner mehr will. Durch das unaufwändige Upcycling war es auf einmal ein
ziemlich geiles Geschenk. Ein Win-Win Verkettung die hier überhaupt erst ihren
symbolischen Anfang gefunden hat. Den ein großer simpler Gedanke hat hier seinen Ursprung. Nachhaltigkeit ist einfach, langfristig das cleverste zu tun. Denn wenn man den Zeitstrahl vergrößert und aus dem Bild herrauszoomt, dann löst sich jedes "Oder" auf. Das ist 36.
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