Montag, 24. Juli 2017

Back to the Ocean

Das zehnneunte Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. Juli 2007. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.

So Chengdu war vorbei und somit habe ich das echte China verlassen, für eine seltsame Stadt. Naja Shanghai gehört auch zu China und das echte China findet man auch nicht nur an einem Ort, aber es war schon ein krasser Kontrast. Ich glaube ich habe das tausend mal erzählt um einem Europäer die inneren Unterschiede deutlich zu machen, aber als ich von Chengdu nach Shanghai gezogen bin hatte ich einen gefühlten Kulturunterschied von Finnland bis nach Malta. Ich wollte auch unbedingt aufhören zu reisen und habe versucht in relativ kurzer Zeit ein bisschen in das Shanghai Leben einzutauchen. Und trotz dieser kurzen Zeit hat es noch mal eine wichtige Schlüsselrolle eingenommen.

Wir befinden uns jetzt ungefähr in der Mitte meiner Reise. Meine Reise zur 36 und endlich drehte sich das unterbewusste Suchen zu einem konkretem Finden. Ich weiß auch nicht wie tausendfach ich diese Geschichte schon erzählt habe, aber es schadet ja nicht sie noch tausendmal zu erzählen. Die Mango. Ich hatte schon von dem tollen Mango Wawato Milchshake erzählt und das ich mein Haus in dieser Farbe streichen möchte. Ach wie schön, in Chengdu gab es so viele Mangos. Diese kleinen gelben und sie waren so günstig das man sich endlich mal übersatt essen konnte. Früher hatte Sylvie oder mein Papa auch jede Woche eine von diesen riesigen grün-roten Mangos gemacht. Mangos haben also vorbelasteterweise schon einen erhöhten emotionalen Wert für mich. Den habe ich dann jetzt noch mal um das zehnfache aufgeladen. Ich habe meine unterbewusste Suche schon ein bisschen institutionalisiert und neben dem Ausschlussverfahren auch immer Sachen rausgepickt die ich toll fand. Jeder der mich kennt, kennt auch die Sprachmemos. Jede banale Idee oder sei es auch nur ein lustiger Spruch, ein Wortspiel oder ein doppeldeutiger Versprecher, ich hab immer gleich mein Handy gezückt und es aufgenommen. Jeden Monat dann brav abgehört, ausgewertet und kategorisiert. Das wurde schnell zu einer unübersichtlichen Liste mit vielen Unterkategorien von denen niemand wusste wofür ich sie jemals gebrauchen könnte. Neben den Stickersprüchen, der Weihnachtsmannwunschliste und langfristigen bescheuerten Geschäftsideen, wie zum Beispiel die Chinesische Mauer um Las Vegas zu bauen, befand sich eine kleine andere Liste.

Ich habe Win-Win-Situationen aller Art gesammelt. Ja und daraus formte sich irgendwann ein Gesamtkonzept welches diese ganzen Wins kombiniert und eine Endloskette von Win-Win-Win-Win-Win-Situationen erzeugen sollte. Kann blauäugig, optimistisch, naiv klingen, aber man kann es ja mal theoretisch versuchen. Da diese ganze Thematik eher so hinten links in meinem Gehirn brütete, war ich mit ganz anderen Sachen operativ beschäftigt. Dieses Shanghai hat mich fertig gemacht. So eine lebensfeindliche Stadt die jeden Menschen zu einer Zahl macht. Eine schrecklich urbane Stadt in der du nicht die paar Blocks zur U-Bahn gehen kannst, weil du dir bei den riesigen Straßen und Häusern so verloren vorkommst und wie eine Ameise dich schwitzend abmühst und bei dem Gedanken an den nächsten Block sofort alle Energie zusammenbricht. Fuck it alta, in dieser Stadt hängen die Siemens Expats in ihrem scheiß Paulaner Brauhaus und selbst die Künstler ziehen sich den Boden untern den Füßen weg. Diese Spaßten arbeiten nur für Geld. Erst wird das Werk verkauft und dann wird es gemacht, ihr Idioten verdrehen da was, was eurer Kunst, egal wie gut sie ist, von vornherein die Legitimation raubt. Nee Nee anfangs war ich noch begeistert von dieser blinkenden Zukunft, aber dann wurde ganz schnell die vernichtende Schland-Analyse-Keule rausgeholt.

Ich war in diesem Future Museum was Shanghai 2000, 2010 und 2020 zeigt. Ein riesiges Tennisplatzgroßes Abbild der Stadt im Atrium was alle China Touristen erstaunen lässt. Und neben den sabbernden Fotomachern versucht klein Rice mal seinen Wohnkomplex in Pudong zu finden. Da wo vor ein paar Jahren noch Reisfelder waren stehen jetzt unendlich viele Wohnkomplexparks wo die Hochhäuser nicht mehr so cool sind wie in New York, sondern wo sie zu Grashalmen verkommen. Ha, da ist der Fehler. Da wo mein Haus stehen müsste stand was anderes. Yes ich hab dich besiegt Shanghai. Du hast mich beim Duschen zum Schwitzen gebracht und mir in deinen Rushhourbussen die Luft abgedreht. Aber jetzt sehen deine Hochhäuser aus wie lächerliche Pappkartons die eh gleich auseinanderbröseln. Nee alta fuck you, das ist nicht die Zukunft.

So und jetzt kommt noch was anderes dazu. Dieses "was" wird symbolisierend verkörpert durch eine Person. Am 7.7.7 war das Live Earth Konzert unterm Pearl Tower. Und es war auch in Hamburg und auch im Rest der Welt. Initiiert von Al Gore wurde die ganze Klimawandel Geschichte mal Medienwirksam aufbereitet. Ich meine ich hatte über den Klimawandel schon von Herrn Helm mal in der Realschule gehört, aber was interessiert mich das. Da hatte ich grad andere Probleme, so wie ja jeder ständig andere Probleme hat. Nun ja irgendwie hab ich hier und jetzt aber etwas mehr aufgehorcht. Einerseits weil ich ja nun direkter von den Folgen betroffen war als vorher. Ich meine die Chinesen haben ihre Natur schon so übertrieben zerstört, dass die Auswirkungen und Rückwirkungen offensichtlich auf einen wirken. Andererseits war ich von dieser neuen Art der Thematisierung dieses Problems sofort angefixt.

Es ging nicht mehr um den erhobenen Zeigefinger der einem mit bösem Blick anguckt und wie die Bilderbuch Grundschullehrerin mit den eckigen Brillen gleich den Arsch verhauen will, wenn man nicht hört. Nicht, dass ich so eine hatte aber dieser Erziehungsstyle bei dem irgendwer oder irgendwas von oben herab guckt und einem sagt was man besser machen soll. Nee hier war irgendwie alles stylisch, positiv, ästhetisch, auf Augenhöhe und mit Musik halt. Nicht das hier jetzt gleich der Untergang der Welt gefeiert wird, aber dass man auf den Untergang der Welt während des Feierns aufmerksam macht. Aber halt nicht so, dass man den Spaß am Feiern verliert sondern, dass er im Idealfall noch größer wird. Und so fühlte ich mich in dieser Nacht auch. Es war wieder einmal Gewitter über Shanghai. Dieses unbeständige extreme Wetter was auch bald Berlin ereilen wird mit seinen Weltuntergangsplatzregenschauern.



Ich bin dann im strömendem Regen vom Pearl Tower zu einem Club gefahren. Alleine und auch nur weil ich den Flyer so geil fand. ABSOLUT TECHNO am 070707. Wow bin ich ausgerastet in dieser Nacht, vollkommen betrunken, aber mit zwei Sachen die da in meinem Kopf ratterten. Zum einen diese Gore Klimawandel Sache und dann halt diese Win-Win Sachen von hinten links im Hirn. Am nächsten Tag war ich dank Kater nicht in der Lage das Apartment zu verlassen. Ich habe endlich mal das Leben dieser Leute mitbekommen. Bruce am PC, hirnrissige scheiße auf YouTube gucken. Das Baby krabbelte vor mir her und versank in seinen Plastik Spielzeugbergen. Die Oma und die Mama ständig rumlaufend, einkaufen und son Schrott. Und ich saß schwitzend, entgiftend im Wohnzimmer aufm Sofa und habe in meinem Zustand des erweiterten Bewusstseins meine Visionen visualisiert. Ja wirklich ich habe das Gefühl einen erweiterten Bewusstseinszustand von Alkohol zu bekommen und nicht ihn wie zu erwarten ist abstumpfe. Nur so als Zwischeninfo. Aber ich hatte keine Ahnung was ich da visualisiert habe. Ich hab mir einfach die Shanghai Vogue genommen und sie vollgekrakelt. Unter anderem ist da auch das Layout von meinem Katzentattoo entstanden.

Aber viel wichtiger war, dass meine Gedanken endlich mal konkret wurden. Ich habe testweise versucht die WIN WIN Sachen mit dem Klimasachen zu kombinieren. Ich hatte bei der gleichen Ausstellung wo ich auch den Fehler von Shanghai entdeckt habe noch ein weiteres interessantes Projekt gesehen. Für die Expo 2010 baut Shanghai einen neuen riesigen Stadtteil. Eigentlich ist es eine komplett neue Stadt die auf der Jangtzerivermündungsinsel entstehen soll. Eine komplett Nachhaltige Stadt. Sofern ich das Wort Nachhaltig vorher schon mal gehört habe, hab ich es in die Öko-Ecke getan und als unsexy abgestempelt. Aber dieses Projekt sah ziemlich stylisch aus, ziemlich futuristisch und die ganzen Beschreibungen klangen schon nach WIN WIN Geschichten. Die Häuser produzierten ihre Energie selber, regenerativ und dezentral. Sprich, günstiger, sauberer und ästhetischer. Die ganze Stadt war so konzipiert. Das sah nicht mehr nach Alt-Öko-Hippy Kommune aus, sondern nach intelligentem Design der Zukunft. Ich wollte dann da hin fahren und genau das habe ich zum Abschluss meiner China Reise gemacht. Es war eine Reise Flussabwärts zurück zum Ozean. Auch hier sind natürlich wieder haufenweise Symbole drin. Ich komme aus Hamburg. Auch mehr oder weniger an eine Flussmündung gelegen und auf jeden Fall dicht am Meer. An einem Ozean. Chengdu war schön aber so weit weg vom Meer und so dicht an den Bergen. Auch da hatte ich schon diesen Sog der mich aufs Boot gezogen hat. Das Boot das durch die drei Schluchten Flussabwärts geschippert ist.

Am 24.7 bin ich angekommen an der Flussmündung. Und im Dunst lag diese Insel. Dieses Zukunftsprojekt. Dieses Symbol einer WIN-WIN Lösung für alle. Diese Insel heißt Chongming. Das Ming habe ich bei der Ausstellung natürlich auch fotografiert. Es ist das Ming aus meinem Namen. Ming bedeutet, clever, brillant oder intelligent. Zusammengesetzt aus Sonne und Mond. Ming ist zwar nicht in Nachhaltigkeit drin, aber für mich steht es ab jetzt dafür. Ich wusste nicht das ich in China was gesucht habe, aber ich habe es gefunden. Ich habe in China keine Kurse gemacht. Nur ein bisschen die Sprache und ihre Zeichen gelernt, ich habe genossen und die Kultur reingeschaufelt. Und ich habe eine große Erkenntnis gemacht. Ich hab rausgefunden wo es für mich hin gehen soll. Besser gesagt ich weiß jetzt die Richtung. Die Rettung der Welt muss nur hübsch verkauft werden.

Meine liebste Stine war in meiner letzten Woche dabei und sie hatte mich gezwungen diese abstrakten WIN WIN Nachhaltigkeitssachen mal mit einem konkretem Beispiel auszudrücken. Da kam mir als erstes natürlich die Mango in den Kopf. Mangos sind an sich schon eine WIN-WIN Geschichte. Lecker, gesund und auch noch mit positivem Image. Wenn die Mango dann noch ökologisch angebaut und fair geerntet würde, wäre in diesem Einzelfall auch das mit der Klimabilanz gelöst. Wenn man das dann auch noch massentauglich macht, freut sich die Wirtschaft und die höheren Kosten werden durch die Scaleneffekte angemessen niedrig. Alles was man also machen muss ist der Mango einen kleinen Zusatznutzen zu geben. Die Rettung der Welt, ist nicht mehr was für Miss Amerika und Greenpeace. Die Rettung der Welt ist jetzt stylish und geil und kann von jedem vorangetrieben werden, einfach indem man eine leckere, gesunde Mango isst. In den Jahren seit dem ich mich mit dieser Idee beschäftige, ist mir noch kein ernst zu nehmender Haken an der Sache begegnet. Klar gibt es tonnenweise Hindernisse, die sich dieser Idee in den Weg stellen. Die machen aber alle keinen Sinn und fußen nicht auf fundierten Argumenten, sondern eher auf zahlreichen vielfältigen weichen Faktoren dir mir noch begegnen werden.

Naja wunderbar, da habe ich ja meine neue positive Energiequelle. Von Shanghai hatte ich dann auch die Schnauze voll. Diese kontrastreiche Stadt zeigte nämlich auch genau auf wo es nicht hin gehen sollte, aber mit gleich großer Wahrscheinlichkeit hin gehen wird. In eine turbokapitalistische, blinkende Superschwanzhochhausstadt in der Menschen zu Nummern und Maschinen werden. Oder besser gesagt zu Maschinesen.

Zum China Abschluss habe ich dann noch ein extrem lustigen Brainstormingzettel rausgeholt und um in den Letter eine gewisse Kontinuität reinzubringen, wieder im Juli einen sinnlosen Text gezaubert. Ist das jetzt Kunst?


„Nun warte ich hier artig in meinem Spartarif-parterre-apartment in Shang-hart, mit voll behaartem Vollbart und hart gespartem Martini. Nun schaue ich via Google Earth in den Kartoffelgarten von König Arthur, oder wart es gar der von Napoleon Bonaparte? Ist das nicht ein Gephardt der sich zart mit seinem Partner auf dem Bartresen paart? Ob dessen Letatart-Tart mit Glutamart, bei Wal-Mart auf der Karte stand? Auf jeden Fall würde Spartakus auf einer Seefahrt sich anders artikulieren und sagen: Tart und gegarte Hasenscharte mit Haartupe und Smarties kommt nicht in die Arte Koch-Charts! Wie dem auch sei, lag derweilen laut eines Artikels der Wartburger Tageszeitung, in einer Stuttgarter Sternenwarte, in einem Dartspielkarton ein Cartoon-comic. In diesem handelte es sich um eine Partei, die in ihrem Quartier in Djakarta, eine Party um ihren Marterpfahl starten wollten. Der Höhepunkt war erreicht, als Rafael van der Vaart mit einem Cart auf einer Tartanbahn langscharrte.“

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