Im Landeanflug auf Shanghai sieht man eine bis zum Horizont
reichende Landschaft die von Kanälen durchzogen ist. Schnurstracks grade und
angeordnet in großen Kästchen. Wenn nicht auf der einen Seite der Pazifik wäre,
würde das wohl noch ein paar tausend Kilometer weitergehen. Weiter nach
Chengdu. Als ich mit meinem Papa in Las Vegas war fand ich diese blinkende Welt
toll. Sie war ja auch so gut inszeniert, dass ein kleiner Junge die Fehler nicht
sehen kann. Aber hier blinkte alles noch viel mehr, und doller, und auch
irgendwie dreckiger und hässlicher. Diese Megametropole von der noch niemand
vorher was gehört hat blinkt an jeder Ecke. Oh und jetzt verstehe ich wenn sie
sagen, dass sie eine Stadt am Reisbrett planen. Man ziehe ein paar große Kreise
und unterteilt die dann mit graden Strichen. Fertig ist die Heimat für 11 Millionen
Menschen. Und wie sieht es mit den Bedürfnissen dieser Menschen aus? Der Slogan
lag nahe. Es gab haufenweise Möglichkeiten, doch die hier schien mir am
erfolgreichsten. In beiden Ländern muss man nicht groß erklären um welche Mauer
es sich handelt. In beiden Ländern ist es einfach „die Mauer“. Als ich
abgereist bin konnte ich die East Side Gallery noch aus meinem
Badezimmerfenster sehen und in China angekommen lernte ich recht schnell das
ich die andere gar nicht sehen will.
Zur Berliner Mauer habe ich eine schöne
Geschichte. Auch sie ist ein Symbol für das was ich hier sagen will und schon
gesagt habe. Meine Generation kann sich überhaupt nicht mehr an sie erinnern.
Trotzdem wohne ich an diesem historischen Mittelpunkt der Weltgeschichte und
setze mich mir der bunt angemalten Wand vor meiner Tür auseinander. Jeden laber
ich voll mit unserem tollen Blick aus dem Badezimmer oder der Küche, auf die
Spree. Sofern die paar Bäume auch keine Blätter haben, kann man das längste noch
erhaltene Stück Mauer sehen. Einmal sah ich genau diesen Blick in einer
Kunstzeitschrift. Eine Fotographie dieser Aussicht als halbseitige
Werbeanzeige. Ich wusste nicht richtig für was, denn es stand nur eine email
drunter. Letztendlich war es mein Nachbar der eine beachtliche kleine private
Fotokunstsammlung hat. Als wir zusammen die Bilder anschauten erklärte er mir
die Hintergründe und wir besprachen jedes Werk genauestens. Ein recht großes
Foto zeigte eine Längstotale eines Louvresaals. Der Saal war ohne Menschen doch
im Verhältnis zu den Sitzbänken sahen die Gemälde riesig aus. Im Verhältnis zum
Raum sahen die Gemälde jedoch winzig aus. Diese nüchterne Art der Fotographie
war damals, als ich als Location Scout gearbeitet habe ein Muss. Den Raum einfach
ganz trocken und grade in seiner Totale erfassen. Alles schön geometrisch und
keine künstlerischen Feinheiten. So bilden die Gemälde an der hinteren Wand und
die an den Seitenwänden eine horizontale Linie die von der Mitte nach außen
Breiter wird. Wenn man sich als geschulter Betrachter nun auch auf eine Position
stellt die diesen mathematischen Ansprüchen gerecht wird, sieht man das wahre
Kunstwerk. Auf dem Bild, genau auf der Linie der Gemälde, spiegelt sich die
Vollgesprayte Berliner Mauer die ebenso grade genau hinter mir liegt. Die Kunst zweier
Städte. Die Gesichter der beiden wichtigsten Europäischen Metropolen. Paris mit
seinen edlen, sauberen, historischen, klotzigen, protzigen, plüschigen Werken
und im direkten Angesicht, Berlin mit seinen auf betongrau, vollgesprayten,
kreativen, dreckigen, geilen, wechselnden, überdeckenden, Straßenkunstwerken.
Die heutigen Picassos findet ihr auf der Straße. Berlin ist schon geil.
Nun ja das ist die eine Mauer die es zum Glück nur noch
symbolisch gibt und die für meine Generation auch nichts weiter als eine
symbolische Wirkung hat. So grade habe ich das was diese dreckige Wand
verkörpert in mein Herz geschlossen und just in diesem Moment sitze ich im
Flieger in die komplett falsche Richtung. Die andere Mauer habe ich nie gesehen
weil man einen ganz schrecklichen Abturn gegen alle Touristischen Aktivitäten
in diesem Land bekommt. Alles ganz große Gelddruckmaschinen die voller
aufgesetzter Make-Up scheiße nicht weiter weg sein könnten. Wenn ich mit meinem
Blick schon hinter die Kulissen schauen kann, dann sollte man keinen Aufbausch
mehr servieren, ansonsten macht man selbst tatsächlich schöne Sachen kaputt.
Doch ich brauchte die Mauer nicht zu sehen um sie zu spüren. Ich will hier
keine Abhandlung über China halten aber hier wurde ein gänzlich anderer Weg
eingeschlagen. Die Ming Dynastie war ähnlich gut unterwegs wie die Europäer. Da
man aber hier anstand hatte und im Vorfeld die Fehler der Kolonisation
vermeiden wollte, zogen sich die Jungs zurück, zerstörten alle Unterlagen,
machten einen Kreis um ihr Reich und sagten das hier ist eh der Mittelpunkt der
Welt. Ob das stimmt oder nicht ist mir vollkommen egal, nur will ich sagen das
sich dieser Kulturkreis innerhalb der Mauer so einige Jahrhunderte vollkommen
eigenständig entwickelt hat.
Bis heute. Jetzt sickern die ersten Ideen durch.
Wie immer ist dass das US-Haus mit dem Vorgarten, dem Auto vorm Haus, den
Spielenden zwei Kindern und dem mathematisch korrekt gemähtem Rasen. Keine
Sorge so siehst da bis jetzt erst in den Köpfen aus. Das kann sich zum Glück
noch ändern und ich habe stark die Hoffnung, dass einige bescheuerte
Kulturstufen ausgelassen werden können. Nur als ich da war, waren grad mehrere
hundert Millionen Menschen stark auf dem Weg Richtung 24. Scheiße, das passt
mir jetzt nicht so in den Zeitplan. Aber da komm ich später noch mal drauf. Als
ich diesen Text geschrieben habe war ich noch viel zu durcheinander. Kurz
nachdem ich ihn rausgeschickt und wieder gelesen habe dachte ich, was für ein
Blödsinnsgelaber. Wenn ich ihn dann nach ein paar Jahren noch mal lese, denke
ich bei diesen und anderen Texten, wow das sind die besten. Ich habe nur so
abschreckende Esoterikwörter und Sprechweisen benutzt. Aber unserer verstörten
Gesellschaft einfach einen faulen Panda vorzusetzten. Simpler geht’s doch gar
nicht.
In der Welthauptstadt des Panda gibt es diesen riesigen Zoo
ausschließlich für alle Panda Arten. Doch letztlich sind alle gleich genial.
morgens zwischen 8 und 9 toben sie ein bisschen. Das sieht dann süß aus und
deswegen ist ihr Image auch so unendlich gut. Und den Rest des Tages wird dann
nur noch faul in einer Ecke rumgelegen und Bambusstäbe in sich rein schaufelnd
gechillt. Ab und zu mal umdrehen und einen lustige Laut von sich geben und die
dummen Menschen freuen sich zu Tode. Genial diese Jungs. Eine Stunde arbeiten
und 23 Stunden schlafen, relaxen, fressen, kacken und lässig dafür sorgen, dass
das Image oben bleibt. Diese Tiere sind zu Recht so krass beliebt. Nicht so wie
ein Frosch oder kleine kläffende Hunde. Pandas mag jeder von Harz 4 bis
Nobelpreisträger.
Aber wo ist jetzt die Verbindung? Für mich sind diese
Bärchies und eigentlich auch alle anderen Tiere optimale Beispiele für
Natürlichkeit. Die, die die meisten Menschen in unserer Welt verloren haben. Die
lieben Chinesen sowieso alle und bei uns kommt es nur ganz selten vor das
jemand unberührt von Gewalt bleibt. Die Gewalt die sein Bewusstsein zerstört.
Die schiefen Blicke, die schadenfrohen Witze in der Schule, die überzogenen
Erwartungen der anderen. Wenn wir höfflich sind, sagen wir nicht die Wahrheit
und sind unnatürlich. Wenn wir nicht wissen wie höfflich geht werden wir durch
die Sanktionen unnatürlich. Wenn wir uns unnatürlich verhalten, werden wir
sanktioniert und werden noch unnatürlicher. Und sanktionieren tut jeder. Mit
Worten, Blicken, Gestiken, Mimiken, mit der Art wie man geht, wie man spricht
und in den seltensten Fällen auch mit echter verbaler oder sogar körperlicher
Gewalt. Unter dieser Ausgangssituation würde ich es fast für unmöglich halten
da unbeschadet durch zu kommen. Ich weiß auch nicht wie die, die heute natürlich
wirken das geschafft haben. Am besten sollte man eine Strategie fördern um
wieder dahin zurück zu kommen. Sich wieder ein bisschen erarbeiten, sich wie ein
Tier benehmen zu können. Problematisch nur das man dann schnell wie sie,
eingesperrt wird. Da läuft irgendwas falsch und das hat mich hier beschäftigt.
Nicht weil fast alle Chinesen unter dieser Sozialkultur leiden, sondern weil ich
im direktem Umfeld von zwei extremen Umgeben war. Man mag fast durchdrehen, wenn
man sich wie ich zu schnell an sein Umfeld anpasst. Wenn das Umfeld dann mit
zwei verschiedenen Polen auf mich Wirkt bin ich froh, nach wie vor im Mittelweg
zu bleiben. Nicht der goldene Mittelweg sondern der, der im Vergleich zu allen
anderen am wenigsten schlecht ist. So schrecklich unnatürlich, dass man keine
einzige Handbewegung mehr hinbekommt, ohne etwas zu zerstören wäre unvorstellbar
unerträglich. Doch leider ist die Gesellschaft auch noch nicht bereit für
Pandas in der Arbeitswelt. Eine Stunde arbeiten in der das positive Image so
doll aufgeladen wird, das die anderen 23 Stunden gefurzt und gerülpst werden
kann, ist noch nicht gängige Arbeitsmethode in den Unternehmensberatungen. Ein
Glück macht Google erste Testversuche mit Pandas. Den Erfolg kopieren
hoffentlich schnell genug so viele Leute damit die Chinesen die Kopie der Kopie
kopieren können und das mit dem Gartenzaun überspringen. Ich hatte inzwischen
schon längst die Schnauze voll von der 24. Aber anstatt sie auszuspucken, hab
ich noch ein bisschen drauf rumgekaut und dann noch ein bisschen gegessen.
Welches bisschen das ist sag ich euch in Shanghai. Jetzt kommt erstmal wieder
besoffen.

Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen