Das zehnvierte Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. Februar 2007. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.
Ja ein paar Monate vorher war ich noch das tollpatschige
Neugeborene, was sich den Brei nur so ins Gesicht klatscht und jetzt fehlen mir
schon wieder die Zähne und die grobmotorischen Fähigkeiten. Der Brei würde
wieder im Gesicht landen, nur mit dem Unterschied das ich jetzt alt und weise
geworden bin. Äußerlich betrachtet ist dies unmöglich aber hier wird wieder auf
die Lücke zwischen Lebensjahren und Erfahrung angesprochen. Beziehungsweise das
diejenigen mit vielen Jahren und wenig Erfahrung verbittert überheblich wirken, wenn sie wirklich nichts vorzuweisen haben außer diese Zahl. Und ein in die Lehre
starrendes "Ja Ja Ja damals" heraus leiern.
Ich behaupte ich hab mit meinen popeligen irgendwas-und-zwanzig Jahren
mehr Lebenserfahrung als 60% der Weltbevölkerung. Bis Ende Zwanzig könnte ich
90% überholt haben. Klar gibt es noch die magischen 10% für die man wirklich
lange braucht. Oder die Ereignisse in den 10% die es für mich ja gar nicht mehr
geben kann. Ich verlange doch nur die Gesamtverhältnisse mal von oben zu sehen
und wie bereits erwähnt wäre das Alter dann so irrelevant wie die Hautfarbe
oder das Geschlecht. Oder es sollte wenn es geschieht auf die gleiche
diskriminierende Ebene gestellt werden. Das mit dem Gleichheitsgedanken bedarf
noch einigen Feinschliff. Aber ich wollte hier noch mal auf dieses
Generationendings zu sprechen kommen. Da sind also diese Dinge von denen uns
unsere Eltern und Großeltern erzählen und die wir zwar verstehen können, aber
nicht fühlen können. Die meisten wollen wir auch gar nicht erst verstehen aber
dem stelle ich mich nicht quer. Man kann noch so gut über
Krieg, Hunger, Revolution, Woodstock und die 68er erzählen, ich
fühle nichts. Ich weiß überhaupt nicht was Krieg ist, ich meine das was auf N24
über den Irak läuft ist nicht greifbar. Und ich hatte nie den intensiven
Geschmack von Brot gespürt weil ich niemals drei Tage lang hungern musste. Ich
will hier gar keine Bewertung rein bekommen ob das gut oder schlecht ist. Ich
will nur die Richtung hervorheben. Wo geht es denn dann hin.
So wie unsere
Großeltern von Kriegen erzählen werden wir unseren Enkeln wahrscheinlich vom
Feiern erzählen. Denn das ist es womit wir unsere ganze Jugend verbracht haben.
Feiern. Nicht mehr nur Geburtstag feiern. Abschied feiern, Rückkehr feiern,
Dienstag feiern, sich als alte Leute verkleiden und feiern, kurz gesagt einfach
feiern das man lebt. Ich meine vor uns haben sie auch schon gefeiert aber
Woodstock und die goldenen Zwanziger waren da eher Make Up auf einer
schrecklichen Kulisse. Möglicherweise ist unsere Globale Welt auch noch
schrecklich oder vielleicht sogar die Schrecklichste, aber davon kriegen wir
gefühlt ja gar nichts mit. Inzwischen hat jeder Harz 4 Haushalt einen
Flachbildschirm rumhängen. Wo sind die Probleme? Es gibt keine Probleme mehr.
Nein viel besser, wir tauschen das Wort Probleme, mit dem Wort Bedürfnisse. Ich
habe es schon gesagt aber ich werde es so lange wiederhohlen bis halt auch die
Harz 4 Jungs auf die Stufe folgen von der ich spreche. Oder was noch viel
besser wäre, wenn alle Chinesen und Inder gleich eine Stufe überspringen
könnten. Erst kommt der Hunger, eventuell die Drogen oder lebenserhaltende
Medikamente. Gut haben wir alles. Dann die Sicherheit, also kein Krieg und am
besten noch Pflege-, Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Hausrat-, Brandschutz-
und Klimawandelschadenschutzversicherung. Bis auf die letzte haben wir da also
auch schon zur Genüge. Dann kommen ganz lange Autos, Flachbildschirme, große
Häuser und halt alles was in den Werbeblöcken läuft. Also all die Sachen die
uns die Freu(n)de machen die wir vorher nicht hatten. Im Volksmund nannte man
das jahrelang Wohlstand. Ich würde es als quantitativen Wohlstand beschreiben,
denn wer beim dritten Auto noch nicht gemerkt hat das es irgendwie anders
weiter nach oben geht, bleibt auf der Strecke.
So einige Midlifecrisis unserer
Papas sind in dieser simplen Sackgasse hängengeblieben. Na ja und diese
Wohlstandszahl ist nun ziemlich lange kontinuierlich gestiegen. Über die
Falschverteilung lässt sich streiten, doch wenn ich den Harz-4 Flachbildschirm
symbolisiere, sollte deutlich werden das wir schon längst an der Schwelle
stehen. Also was heißt längst, eigentlich auch erst seit diesem Jahrtausend,
also unsere Generation. Ich würde das Feiern als Übergangs Symptom sehen. Es
ist irgendwie auf der Schwelle oder im Zwischenraum von Materiell und
Qualitativ. Manchmal könnte das Arme-rumzappeln schon zur Selbstverwirklichung
zählen. Der Schampus ist aber noch die Stufe darunter. Auch diese Zwischenstufe
kann einige aufhalten und so ist grade Berlin ein wunderschönes Beispiel für
das Feierei-Monster was eine Sinn suchende Generation einfach verschluckt. Wenn
wir also unsere Enkel mit diesen Geschichten quälen, sind die schon längst
weiter.
Was für eine geniale Vorstellung das die alle damit beschäftigt sind
irgendwelche Bilder zu malen, in schönen benutzerfreundlichen Häusern, nein gar
sauberen Städten wohnen, die Maschinen machen alles und sie lesen nur noch
Nietzsche, Goethe und Kant. Sie denken die angefangenen Sachen weiter und sind
krass zufrieden damit die Welt zu retten. So als Hobby. Feiern tun sie wohl
auch noch ab und zu, allerdings nicht so verbissen wie wir. Vollgekokst immer
der letzte sein der geht. Am besten gar nicht gehen denn wer am längsten tanzt
ist am coolsten. Lächerlich. Sie werden uns nicht verstehen, wir werden
aneinander vorbeireden. Das einzig coole womit ich als Opa kommen könnte wäre
die alte Leier, das ich für das gekämpft habe was heute die Basis eurer
Lebensqualität ist. Aber wann danken wir denen die für Demokratie gestorben
sind. Wir gehen nicht wählen wenn es regnet.
Ich sollte behaupten, dass ich das
hier nicht mache weil ich ein Lob aus der Zukunft haben will, aber so ist es.
Ich will das meine Enkel die seltene Sorte von Mensch ist, die wenigstens
versuchen zu verstehen das es anders war. Sie werden es nicht fühlen können
aber vielleicht werden sie eine Ahnung davon bekommen wie es war die Probleme
unserer Zeit zu lösen. Nein wir sollten diese Begriffsbenutzung endgültig
ändern. Wie schwierig es war auf der Bedürfnispyramide nach oben zu klettern.
Wie vielen Leuten ich mühsam klar machen musste dass viel Arbeiten um viel Geld
zu verdienen nicht das Maß aller Dinge ist. Es ist nur das zweit beste Level
was wir erreichen können. Gefährlich nur wenn man kurz vorm Ziel in einem
System gefangen ist welches einem die Energie raubt um den letzten Schritt zu
machen.
Inzwischen hatte mein Newsletter einen beachtlichen
Bekanntheitsgrad und dieser hier war ganz besonders wichtig. Nie werde ich den
Moment vergessen wie ich im ICE von Berlin nach Hamburg mitten im Gang auf dem
Bierkasten stand und diesen Text laut vorgelesen habe. Umgeben von all meinen
Hamburger und Berliner Freunden. Ach was rede ich da, von einer ganzen Generation
von weltweit zusammengeschütteten Kids die die höchsten Glücksgefühle beim
Feierei brüllen hatten. Es ist nicht perfekt aber in diesen Momenten fühlt man
das nicht. In diesen Momenten ist es besser als perfekt. Es ist harmonisch und
warm um einen herum. Kein Wunder das man diesen Moment ausdehnen will. Geht
aber nicht. Jedenfalls nicht so.
Genau das möchte dieser Songtitel wohl auch
ausdrücken. Its just a perfect
day hatte ich in Barcelona zweimal gehört. Wow die Nacht davor war wie
aus dem Bilderbuch. Meine Bilder hatte ich leider ausgekotzt, aber der Kater hielt
mich in diesem Sofa. Dieses Sofa in dieser Wohnung. Ich kannte die Leute in der
Küche nicht. Zwei Schwule Brasilianer, ein Tscheche, eine Berlinerin, eine
Belgierin, eine Spanierin. Man weiß es nicht, aber sie spielten in der Küche
nebenan denn ganzen Tag lang all ihre Lieblingslieder. Es war wohl das beste
Set was ich je gehört habe. Und eines der letzten Instrumente zu denen ein DJ greifen
würde wäre dieses. Er sollte dieses Instrument ganz behütet anwenden, ich würde
sogar sagen er sollte es nur einmal in seinem ganzen Leben anwenden. Im
gleichen Set einen Track zweimal spielen. Ein unbeschreibliches Gefühl welches
ich kleiner Junge sicher nicht beschreiben kann. Dieser Kater, diese Luft,
dieser schöne blaue letzte Tag draußen den wir ganz bewusst verpassen. Ich kann
einfach nicht aufstehen. Mir fehlt die Kraft zum Essen und zum Trinken. Wie
gemein, genau darin wäre ja die neue Kraft. Ich bleibe einfach sitzen, mein
Körper leidet, mein Geist fliegt. Sie spielen diesen einen Track zum zweiten
mal. Dieser Tag ist perfekt. Man stelle sich vor ich saß den ganzen Tag auf
diesem Sofa und spät Abends schaffe ich es auf das andere Sofa welches weniger
als zwei Meter entfernt steht. Der Gedanke ob es vielleicht bequemer ist hat
mich verrückt gemacht. Und das mein zukünftiger Mitbewohner den ganzen Tag auf
dem bessern Sofa saß entfachte irgendwann die Energie mich rüberzuschleppen.
Das Sofa war in der Tat viel bequemer, aber in diesem Moment hätte ich vor
Freude weinen können. Es war nicht das kurzfristige aufatmen meines Körpers der
dankbar war. Nein ich hatte diesen Track nicht nur verstanden sondern auch
gefühlt. Dieser Tag war perfekt, weil er nicht perfekt war. Er war besser als
perfekt. Perfekt wäre das was ich vorhin mit quantitativer Bedürfnisbefriedigung
beschrieben habe. 24 halt. Ich hatte gefühlt das es noch was Krasseres gibt.
Ich kenne immer noch keinen Namen dafür. Es ist das was nicht perfekt, aber
besser als perfekt ist. Harmonie klingt schwul und durch Esoterikfreaks und Yogalehrer vergewaltigt. Nein das was ich meine ist halt einfach Dreißigundsechs.
Scheiße nur das ich grad im Zug in die andere Richtung
saß. Naja die beste Sache mit etwas aufzuhören ist immer, es ins extrem zu steigern
bis es plätzt. Genau das mach ich jetzt mal in China. Guten Flug Rice. Er wird
36 Stunden dauern.

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