Dienstag, 24. Januar 2017

China 36

Das zehndreite Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. Januar 2007. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.

Jetzt geht der Wechsel endlich los. Ich musste nur zwölf Mal schreiben um ab jetzt eine Umwälzung meiner Persönlichkeit vorzunehmen. Zum Glück ist es keine von den 180 Grad Drehungen die so viele machen. Oft genug führt das nur dazu vom einen Extrem ins andere zu rutschen. Bei mir soll es mehr wie eine Erweiterung werden. Dennoch kein kleines Feinschliff update, sondern noch mal die Hälfte drauf. Ich denke als die Leute dieses Zahlenwirrwarr gelesen haben, konnten sie nicht so viel damit anfangen, ich habe aber erstaunlicherweise haufenweise anderer Rechenwege bekommen wie man von der 24 zur 36 kommt. Nun wie ich hoffentlich schon deutlich gemacht habe, geht es hier um keine reine Rechnung sondern um ein viel höher liegendes Symbol. Um es vorweg zu nehmen und um den roten Faden wieder sichtlicher zu machen, im ersten Jahr war die 24, im dritten 36 und dieses Jahr ist der Übergang. Nach den bisher geschriebenen Seiten mögen die ersten Zeilen des Textes nun jedoch deutlich klarer wirken.

„Vierundzwanzig plus die Hälfte von Vierundzwanzig ist Sechsunddreißig. Zwischen der Zwei und der Vier liegt die Drei. Und wenn man Zwei und Vier addiert erhält man Sechs. Die Welt ist nicht so gradlinig, rein, sauber und perfekt wie die 24. Sie ist ranzig und geil wie die 36.“

Am wichtigsten bei diesem Übergang ist mir die Nähe. Zwar beschreibe ich die 24 erneut als gradlinig wie die Straße zwischen Struvenhütten und Schmalfeld, rein wie die Mathematik selber, sauber wie die Badezimmer von Neubaugebiethäusern und generell perfekt wie ein Ideal. Und als absolutes Gegenteil dazu dieses Kreuzberg in dem ich nun ein bisschen bewusst gelebt habe. In Berlin sind die Straßen so verknotet, da sie wie in allen Europäischen alten Städten mit der Zeit planlos zu einem Labyrinth gewachsen sind. Die Bürgersteige sind dreckig und alles ist voll mit schlechten Graffitis. Die schönen Häuser wurden im Krieg zerbombt und stattdessen steht alles voll mit Platte. Berlin ist arm, pleite und stinkt. Es gibt kein besseres negatives Wort als „ranzig“ um dies zu beschreiben. Wie ranzige alte Butter dessen Gestank dir so fieß in die Nase steigt, dass dein Gesicht sich automatisch verzieht. Mir sind viele dieser Leute begegnet die beim ersten Besuch in Berlin ihr Gesicht so verzogen haben und dann freu ich mich. Ich freu mich das Berlin diese Leute von mir fern hält, denn ich find es hier geil. Das Straßen Labyrinth hat etwas individuelles was junge Nord und Südamerikanische oder Asiatische Städte nicht mehr wiederhohlen können. Ich finde mich zurecht und mir wird nicht langweilig. Schlechte Tags sind immer noch besser als graue Wände und in Berlin finde ich die großen hässliche Buchstaben inzwischen sogar besser als stylische. Es spiegelt die Individualität trotz Armut wieder. 

In dieser Stadt sind die Leute aus allen Ländern arm und das ist die Wahrheit. Die Wahrheit des vergrößernden Spiegel der all deine Hautunreinheiten zeigt. Hier könnt ihr kein Make Up mehr rüber pudern. Make Up hat sowieso noch nie langfristig geholfen und hier wird es bis auf die Touriecken auch gar nicht erst benutzt. Unser Bürgermeister ist nämlich schwul und das ist gut so. Das hält uns auch so einige bayrische Politiker vom Hals. Nein im ernst, wenn ich ranzig sage, dann mein ich dieses Wort positiv. Mit negativer Sichtweise ist Berlin arm, mit meiner Sichtweise ist Berlin günstig. Ich würde mal locker behaupten, dass wir hier in einem kulturellen Paradies wohnen da die besten Künstler aus allen Bereichen hierher strömen. In Paris, London und New York hängen nur noch die durchs Geld langsam gewordenen Artisten rum. Wir spielen auf Weltmetropolenebene mit und sind gleichzeitig die günstigste Stadt Westeuropas. Derjenige der das jetzt gerade liest und sofort herziehen möchte, ist zu meinem Glück eh schon zu spät. Du krichst meine Wohnung nicht und wenn dann zieh ich dir richtig viel dafür ab.

Nun bin ich aber noch nicht auf die Nähe gekommen. So wie es bis jetzt beschrieben ist, könnte man denken 36 ist einfach das Gegenteil von 24. Das könnte man auch wunderbar in der Gesellschaft beobachten und es wäre ein leichtes, jeden in eine der zwei Kisten zu stecken. Aber ich wollte ja alle Kisten und Schubladen abschaffen. Oder ich nehme die volle quadratische Würfelkiste und tue sie mit all ihrem Inhalt in eine runde Kiste. Diese beiden Weltsichtweisen sind so dicht beieinander. Die 24 ist in der 36 drin. Ja sie macht sogar zwei Drittel ihres Volumens aus. Wie ein Quadrat um das man dann noch mal die Hälfte des Volumens rumwickelt bis es ein Kreis ist. Oder ein Würfel im Ball. Und selbst diejenigen die schon lange vor mir im Bereich der äußeren 36er Kreishülle anzusiedeln sind, die Leute die am Anfang über mich gelacht haben, ihr seid dichter an der 24 dran als ihr wollt. Jeder von euch trägt einen großen Rest der 24 mit euch rum, den ihr nie loswerdet so lange ihr versucht ihn abzuschütteln. Ich denke man wird ihn nie los und sollte das auch nicht versuchen. Stattdessen nimmt man sich diesen Bedürfnissen an und versucht durch eine schwierige Symbiose ihre Vorteile zu erkennen. Um mich nicht in diesem symbolischen Gerede zu verheddern könnte ich haufenweise Beispiele anführen. 

So wäre die 24 zum Beispiel egoistisch und die 36 sozial. Auch egoistisch ist in meinem Sprachgebrauch nicht negativ belastet. Ich beschreibe lediglich das Streben seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Und so lässt sich beobachten, dass die Leute sich wie bei Gegensätzen üblich auf eine der beiden Seiten schlagen. Nun bekunden zwar wenige Menschen, dass sie sich den Egoisten zurechnen, doch ein kapitalistisches Verhalten ist offensichtlich und spricht meistens für sich. Und auch die sozialen würden nur ganz selten die Kritik, die sie zur andere Seite schicken, als Selbstkritik nutzen. Denn dann würden sie von den anderen sozialen sofort in die Egoistenkiste gesteckt. Nun will ich nicht sagen, dass diesen Sachverhalt niemand thematisiert, anscheinend jedoch nicht laut genug. Denn ich bin mir sicher, man kann beides sein, und zwar gleichzeitig. Jedes Rudelmitglied weiß, dass es haufenweise Situationen gibt, in denen das Wohl des Rudels mit dem Eigenwohl einhergeht. Ich würde sogar behaupte das es langfristig gesehen ausschließlich Symbiosen gibt. Aus welchem ursprünglichen Grund nun das gleiche Ziel erreicht wird, bleibt offen und es ist mir ehrlich gesagt auch egal. Also wenn das Ergebnis die eigenen Bedürfnisse und die der anderen befriedigt, soll es mir gleichgültig sein auf welchem Wege man dieses Ziel erreicht hat. Mir geht es nur darum, das wir diesen Kampf beenden der zwischen beiden Kräften in uns herrscht. Wenn wir diese Kräfte als Gegensätze sehen wirkt es destruktiv auf uns. Hier ist die beste Schraube um den Einklang herzustellen und ich habe das Gefühl diese Schraube muss man bei viel zu vielen Leuten noch drehen. Ich fange grad an die Schraube festzudrehen und ich hoffe die 24er hinter mir, folgen mir. Doch viel mehr hoffe ich das auch die 36er, die Schraube wieder lockern die sie vorher schon zu fest gedreht haben.




Genau wie ich zum Abschluss des letzten Jahres einen Rückblick gemacht habe, ist der Januar wieder ein Ausblick. Eine ähnliche Energie ging ja auch vom ersten Januar Text aus, nur das ich vollkommen unwichtige Dinge angesagt habe die nicht eingetreten sind. Diesmal halte ich es kurz, abstrakt und symbolische. Der alte Trick mit dem die Wahrsager schon lange gut fahren. So ist es kein Wunder wenn ich im Nachhinein behaupten kann, es ja bereits gesagt zu haben. Naja meine Ankündigung lässt sich recht einfach runterbrechen auf eine symbolische Verhädderung von Titel und Bild. In unseren Buchstaben und Zahlen geschrieben ist die Verknüpfung von den zwei großen Jahrestodos. Genau das gleiche geschieht im Bild nur umgekehrt. Dort steht in chinesischer Übersetzung Kreuzberg. Als ich die Zeichen gemalt habe, hatte ich noch keine Ahnung von ihrer Bedeutung und nicht die Ästhetik sie kaligrafisch zu Zeichnen. Das erste Zeichen steht alleine für die Zehn, das zweite setzt sich zusammen aus Sohn unterm Dach. Mit dem dritten zusammen soll es das Kreuz sein welches auf dem Barg (viertes Zeichen) steht. Wobei ja oben auf dem Kreuzberg gar kein Kreuz steht und wenn da eins wäre gibt es wohl kaum eine Gegend wo es unbedeutender wäre. Für mich hat Kreuzberg nichts mit dem Kreuz zu tun. Hier ging es nur darum Kreuzberg auf chinesisch und China auf kreuzbergerisch darzustellen. Ich weiß nicht wer mich von beiden mehr umgehauen hat, aber jetzt wird’s spannend.

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