Montag, 24. Oktober 2016

Ick bin Maura wa

Das zehnte Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. Oktober 2006. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.

Na dann mal an die Arbeit. Natürlich nicht an die richtige Arbeit denn Denken und Schreiben ist ja keine richtige Arbeit. Oder wie sie auch gerne bevorzugt genannt wird "ehrliche" Arbeit. Ja was ist denn das eigentlich. Habe ich wohl keine Ahnung von, weil ich sie ja nie oder wenn, dann nicht lange genug gemacht habe. Aber wer Urteilt denn hier überhaupt über mich. Anscheinend sehr viele die mich schief ansehen, bei dem was ich tue. Für ihre Augen tue ich nämlich scheinbar gar nichts. Ihre Augen können meine Arbeit aber vielleicht auch gar nicht sehen oder was noch schlimmer wäre, sie können sie sehen und sind neidisch, weil sie das auch gerne so machen wollen. So wird das aber niemals formuliert. Nein nach durchschnittlicher Meinung bin ich faul. Auch selbst wenn das stimmen würde, möchte ich diese Position hier mal breitenwirksam verteidigen und ihre Vorteile hervorheben die nur sichtbar werden, wenn man so einige Grundgegebenheiten mal auf den Kopf stellt. 

Nun aber etwas genauer, denn dieses Thema begleitet mich doch schon lange, genauer gesagt hängt es wie ein Klotz an meinem Bein. Ich bin mehr damit beschäftigt diesen Klotz abzuschütteln als meine Energie wirklich in die nicht greifbare oder gezwungenermaßen betitelte nicht ehrliche Arbeit zu stecken. Zunächst einmal möchte ich gerne wissen was denn diese ehrliche Arbeit ist. Es scheint mir es muss was mit den Händen sein, mit denen man Brot backt, Zement mischt, Stempel auf Formulare donnert oder am besten noch mit einer Waffe umgehen zu weiß. Nein vielleicht geh ich schon zu weit aber was soll bitte diese Argumentation, dass mir was fehlt weil ich nicht beim Bund war. Herr Psychologe ich danke ihnen für eine beständige Lebenskritik aber in diesem Punkt kommen wir nie auf einen Nenner. Ich denke obwohl ich die wenige Vorteile der Disziplin kenne, würde mich der Wehrdienst keinen Schritt voran bringen. Im Gegenteil er würde meine Zeit rauben und mich in einem Gefühlsvernichtendem männlichem Umfeld sogar zurückwerfen. Nun habe ich also erfolgreich geschafft der schrillen Schreibtischfrau in der Musterungskaserne von Oberspree zu erklären was für einen gesellschaftlichen Schaden es anrichten würde mich einzuziehen. Ich meine es war eine sehr nette Erfahrung mit meinen befreundeten Kreuzberger Türken im gleiche Warteraum mit den tatsächlich noch existierenden Dorfglatzen zu sitzen. Zum Glück hatten die letzteren als verschwindende Minderheit hier nicht mehr das Wort. Aber was soll ich hier? Ich habe zwar lange genug die Ämter mit meinen ständigen Wohnortwechsel versucht, ihnen eine eigene bürokratische Schlinge zu ziehen, aber als ich dann trotzdem vor dem Schreibtisch der Entscheidung saß, habe ich meinen Arbeitsvertrag der Softwarefirma, die Gewinnbescheinigung meiner eigenen Firma und die Einladung der Chinesischen Universität auf den Tisch gelegt. Nicht geballert denn ich wollte sehen ob in diesem Bürokratiemonster tatsächlich ein Funken Verstand übrig geblieben ist. Hier war er übrig, bei der Ärztin die mich wie ein Stück Fleisch behandelt hat nicht, aber zum Glück verstand sie die Erklärung meines Jahre zurückliegenden Knieleidens nicht. Der Kniespezialist der den Vermerkt von der ersten Frau mit der kleinen Menschlichkeit gelesen hatte gab mir nach einem kleinen Klopfer T5 und fertig war die Sache. Nach dieser Geschichte freu ich mich schon fast auf den Kritikhagel der auf mich zu donnern wird.

All die Berliner Bäckerin, Bauarbeiter, Taxifahrer und Wehrdienstleistenden werden es riechen und mir mit aller feinster Berliner Schnauze entgegenpöbeln. Und ich werde genau so weiter machen. Ich beschäftige mich weiterhin mit meinen Brotlosen Künsten der Musik, Kunst, Philosophie und eben des Gelabers. Egal wie stolz ich auf meine Studien über nachhaltigen Konsum und konsumentenfreundliche CSR Bewertungen sein kann, für die Leute die es nie lesen werden, ist und bleibt es Gelaber. Solange es nicht umgesetzt wird ist es das auch, aber ich werde es weiterhin verteidigen. Denn meine Überzeugung ist das nämlich gar kein Richtiger Wert hinter der ehrlichen Arbeit steckt. Nun ja als ich mit meinem Papa die Häuser leer geräumt habe wurde mir oft genug schwarz vor Augen und der Staub hat meine Sinnesorgane nur so zerstört. Ich habe gelitten und schnell genug gemerkt, dass das keinen Sinn macht. Warum soll ich mit meinen dünnen Armen Möbel schleppen und leiden. Es kommt bis auf diese Wertschätzung nichts bei raus. Ich denke das ist die Definition, ehrliche Arbeit heißt „leiden“. Ich will nicht leiden und noch vorsichtiger gesagt, ich will auch nicht das irgendjemand anders leidet. Ich stehe nicht mit der Haltung da, dass ja jemand anderes die Drecksarbeit machen soll. Nein ich denke etwas weiter. Maschinen sollen diese Arbeiten machen oder vorrübergehenderweise diejenigen die wirklich leiden. Jedes mal wenn mir einer über den Weg läuft und sagt die Polen, Inder oder Chinesen nehmen uns die Arbeitsplätze weg, dann schüttel ich mich vor grenzdenkender Verzerrtheit. Was gibt es denn sozialeres wenn zwei Inder anstatt ein Schweizer bezahlt werden. Übers Dumping können wir gerne streiten aber nicht das es unfair wäre die einfache Arbeit denen zu geben die noch weniger haben. Die meckernden Harz 4 Leute mit Media Markt Flachbildschirm müssen dann halt endlich mal anfangen zu lesen. 

Ab auf die nächste Kulturstufe mit euch, wir sind bereits in der Zukunft und wollen nach der Wissens- und Informationsgesellschaft bald frei haben. Oft genug wurde Keynes falsch verstanden, aber wäre es nicht erstrebenswert wenn wir endlich in das Zeitalter kommen in dem wir weniger Arbeiten und mehr Leben? Ich bin mir sogar sicher, dass weniger Arbeit nicht unbedingt weniger effizient heißt. Wenn ich 23 Stunden Zeit für meine Familie habe, zum Relaxen, zum Lesen, zum Kommunizieren, zum Reisen, ach was rede ich da, zum Selbstverwirklichen, ja dann habe ich in der einen Stunde Arbeit die übergenialste Idee die alles revolutioniert. Wenn ich jedoch 36 Stunden am Tag am Fließband oder vorm Bildschirm hänge verfault mein kritisches Denken und ich bin zu müde für die geistliche Entwicklung die die letzte Bremse vor der Vollendung ist. Nun gut Vollendung klingt übertrieben aber wie im letzten Newsletter beschrieben reicht es jetzt mit dem Schreiben. Die Intellektuellen sind ja schon alle fast ganz oben angekommen. Jetzt wird es Zeit das eine kritische Masse den Sprung auf die nächste Kulturstufe schafft. Wir sind kurz davor das mehr als ein Drittel der westlichen Gesellschaften von der vorletzten auf die letzte Masslowsche Pyramiedenstufe hoppelt. 

Gewagte Ankündigung aber wann denn sonst als jetzt, wir sind in diesem Jahrhundert dichter dran als je zu vor, als Gesamtheit von der 24 zur 36 zu gelangen. Und so versteht sich der Titel richtig und zweideutig wenn ich meine, dass wir nicht noch mehr Zementmischende sondern Persönlichkeitsentwickelnde Maurer brauchen. Auch hier wird der Herr Psychologe sicherlich verstehen was ich meine und weiß warum ich einen anderen Beruf als den im Bild genommen habe. Ich freue mich, dass der Ursprung meines Namens so gut zu diesem Grundbaustein des Lebens passt. Maurice der Berliner Maurer der seinen Egoismus standhaft verteidigt, denn langfristig ist er das sozialste was man machen kann. Nur durch die Bücher voller Gelaber und auf dem Weg zur Selbstverwirklichung erkennt man, dass die sozialen Werte auch gleichzeitig die cleversten sind. Und deshalb bin ich sehr froh, dass ich innerhalb des Berliner S-Bahn Rings wohne denn die meisten ehrlichen Arbeiter wohnen außerhalb und kommen halt nur zum Arbeiten in das Hoheitsgebiet der faulen Kreativen lang schlafenden Studenten. Ich bin froh in diesem Umfeld zu leben und beide Seiten und Argumente zu kennen. Die die mich weiterhin angreifen kennen meine Argumente nicht und entwurzeln ihre eigenen mit dem Neid der in der Ausdrucksform mitschwingt. Hört auf die überholte Lebensweise zu verteidigen und kommt mir nicht mit dem Argument, dass es für das alte Gehirn zu spät wäre. Meine Mama hat mit über 50 noch englisch gelernt und genau wie im Fitnessstudio kann man auch diesen außergewöhnlichen Muskel trainieren. Wenn ich in euren Augen egoistisch erscheine dann fallt ihr nur auf meine offensive Argumentation rein. Jeder weiß, dass man eine wichtige Rede nicht mit „ICH“ anfangen sollte. Ich beziehungsweise ICK habe es trotzdem gemacht. Forciert wird hier ein weiteres oft kritisiertes Problem meiner Persönlichkeit. Ich bin egoistisch und verstecke das auch nicht. Doch wie jeder habe auch ich die zwei Herzen in meiner Brust, nur wird das soziale imageträchtigere nicht so sehr präsentiert und viel wichtiger es bleibt nicht bei direkten und oberflächlichen Taten stehen. Mir geht es um die tiefenwirksamen und langfristigen Effekte des Sozialen Geistes. Denn die stehen am Ende überhaupt nicht mehr im Widerspruch zum individual denkenden. Dieses Thema wird im dritten Juli aber noch mal etwas Praxistauglicher verdeutlicht, da diejenigen die ich in diesem Lätter generell anspreche wenn überhaupt den abstrakten Teil gar nicht lesen möchten. Schärfer gesagt „verstehen“ um einen Bogen zur Danksagung des letzten Newslätter zu ziehen.



Aber warum sehen wir als Bild, welches ja immer auch symbolisches Spiegelbild des Textes und der Idee sein soll, nun nicht die Werkzeuge der Freimaurer oder einen dicken fetten Ziegelstein. Nun ich muss ehrlich sagen ich habe mich bis jetzt noch nicht viel mit den nicht geheimen, geheimen Kreisen beschäftigt die diese Ziele verfolgen und will auch keiner dieser Verschwöhrungsblogger werden. Ich habe eine viel persönlichere Idee gehabt als ich mit meinem Hauptdiskussionspartner dieses Themas durch die Nacht von Kreuzberg spaziert bin. Ohne jedes Ziel sowohl geographisch als auch ein gemeinsames Ziel der Diskussion waren unsere Fronten verhärtet. Es wurde zu schnell zu diesen entweder oder Fragen, so wie ich es im Text ja auch beschreibe. Anscheinend gibt es diejenigen die mit der ehrlichen Leidenden Arbeit und die faulen kreativen die unter unnötigen bösen Blicken das Leben genießen. Und wie eine Erleuchtung sah ich dann an diesem Straßenschild die Steckdose die an fast jedem Mülleimer, Regenwasserrohr, Telefonzelle und allen anderen Orten der Straßenkunst klebt. Die Steckdose ist ein Artwork vom bekannten Street Artist „SHAF“, der wie ich mal irgendwo mitbekommen habe ganz einfach Elektriker ist. Eine geniale Vorstellung, einer der kreativsten oder jedenfalls am weitesten verbreiteten Straßenkünstler Berlins repariert deinen Sicherungskasten am Montag morgen um acht Uhr. Ich weiß nicht ob es stimmt aber dieses beidseitige Beispiel zerstört das oft so störende ODER in den Diskussionen. Eins ist aber auch klar. Dieses wundervolle Beispiel kann nur in so einer grandiosen Stadt wie Berlin passieren und wahrscheinlich auch nur hier verstanden werden. Die Teile der Kultur die ich hier bereits gelernt, verstanden und fast schon zu übereifrig übernommen habe macht es meinen Hamburg Leuten immer schwieriger mein Insidergerede nach zu vollziehen.


Nur hier kann ich leider keine Abhilfe schaffen wenn ich die Worte, dick, fett, hässlich, dreckig aus irgendeinem Grund positiv hinterlege. Berlin ist ranzig und das ist gut so. Das kann man nur verstehen wenn man hier gelebt hat. Ich denke ich werde trotzdem noch ein paar mal versuchen das klar zu machen, aber letztendlich bin es auch ich der genau das dann kaputt macht. Ich bin noch relativ früh, aber um ehrlich zu sein bin ich auch einer der Touristen die nur dumm rum stehen und sich fragend umschauen wo denn jetzt der besagte Hype sei. Wenn ich dumm rum stehe muss er ja schon längst weg sein. Een jlück hab ick mir mit na Balina Schnauze jetarnt. Und ansonsten verbringt man die immer schönere Zeit mit den anderen Okkupierern in dieser Stadt. So bot sich am Tag der Deutschen Einheit zufälligerweise ein so schönes Symbol, dass man es vor lauter Normalität bereits übersehen hätte. Ich war mit Franzi (aus der Nähe von Bautzen kommend) im Schlesischen Busch und wir haben in der Nähe des alten Wachturms unsere Fußballtricks geübt. Ganz beiläufig viel uns dann auf das wir beide, Ost und West, an diesem Tag der Deutschen Einheit auf ehemaligem Grenzgebiet datteln. Dank der zahlreichen Geschichtsstunden haben wir ja nichts vergessen aber diese Leichtigkeit die wohl Traum vieler gewesen ist kann und ist nur in unserer Generation möglich. Wenn die Träume wahr geworden sind, sieht man sie fast nicht mehr weil man den Traum voriger Generationen ja bereits lebt. Unsere Differenzen basieren daher nicht mehr auf Herkunft sondern ob man raucht oder nicht. Ich denke Franzi kann sich noch ganz gut daran erinnern wie ich in diesem Monat, ihre Zigarettenschachtel samt Feuerzeug bei eBay reingestellt hab, als sie es bei mir vergessen hat. Ich versuchte für die bereits beschriebene Unhöflichkeit der Raucher zu sensibilisieren, Franzi wollte nur ihr symbolisch so wertvolles Feuerzeug aus Griechenland zurück. Was für ein idiotisches Luxusproblem, aber es steht als Beweis dafür, dass wir bereits keine echten Probleme mehr haben. Alles was jetzt kommt ist Unsinn oder wie es mir lieber wäre, Feinschliff. Auch das ist die Grundausage dieses Buches, die Objektivität dafür zu schaffen, dass es nur noch um den letzten Schritt geht. Vom „Streben nach Perfektion“ weg und hin zum Streben zur, ja und genau hier fehlt mir das Wort. Hin zur Dreißigundsechs.

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