Das zehnte Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. Oktober 2006. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.
Na dann mal an die Arbeit. Natürlich nicht an die richtige
Arbeit denn Denken und Schreiben ist ja keine richtige Arbeit. Oder wie sie
auch gerne bevorzugt genannt wird "ehrliche" Arbeit. Ja was ist denn das
eigentlich. Habe ich wohl keine Ahnung von, weil ich sie ja nie oder wenn, dann
nicht lange genug gemacht habe. Aber wer Urteilt denn hier überhaupt über mich.
Anscheinend sehr viele die mich schief ansehen, bei dem was ich tue. Für ihre
Augen tue ich nämlich scheinbar gar nichts. Ihre Augen können meine Arbeit aber
vielleicht auch gar nicht sehen oder was noch schlimmer wäre, sie können sie
sehen und sind neidisch, weil sie das auch gerne so machen wollen. So wird das
aber niemals formuliert. Nein nach durchschnittlicher Meinung bin ich faul. Auch
selbst wenn das stimmen würde, möchte ich diese Position hier mal breitenwirksam
verteidigen und ihre Vorteile hervorheben die nur sichtbar werden, wenn man so
einige Grundgegebenheiten mal auf den Kopf stellt.
Nun aber etwas genauer, denn
dieses Thema begleitet mich doch schon lange, genauer gesagt hängt es wie ein Klotz
an meinem Bein. Ich bin mehr damit beschäftigt diesen Klotz abzuschütteln als
meine Energie wirklich in die nicht greifbare oder gezwungenermaßen betitelte
nicht ehrliche Arbeit zu stecken. Zunächst einmal möchte ich gerne wissen was
denn diese ehrliche Arbeit ist. Es scheint mir es muss was mit den Händen sein, mit denen man Brot backt, Zement mischt, Stempel auf Formulare donnert oder am
besten noch mit einer Waffe umgehen zu weiß. Nein vielleicht geh ich schon zu
weit aber was soll bitte diese Argumentation, dass mir was fehlt weil ich nicht
beim Bund war. Herr Psychologe ich danke ihnen für eine beständige Lebenskritik
aber in diesem Punkt kommen wir nie auf einen Nenner. Ich denke obwohl ich die
wenige Vorteile der Disziplin kenne, würde mich der Wehrdienst keinen Schritt voran
bringen. Im Gegenteil er würde meine Zeit rauben und mich in einem
Gefühlsvernichtendem männlichem Umfeld sogar zurückwerfen. Nun habe ich also
erfolgreich geschafft der schrillen Schreibtischfrau in der Musterungskaserne
von Oberspree zu erklären was für einen gesellschaftlichen Schaden es anrichten
würde mich einzuziehen. Ich meine es war eine sehr nette Erfahrung mit meinen
befreundeten Kreuzberger Türken im gleiche Warteraum mit den tatsächlich noch
existierenden Dorfglatzen zu sitzen. Zum Glück hatten die letzteren als
verschwindende Minderheit hier nicht mehr das Wort. Aber was soll ich hier? Ich
habe zwar lange genug die Ämter mit meinen ständigen Wohnortwechsel versucht, ihnen eine eigene bürokratische Schlinge zu ziehen, aber als ich dann trotzdem
vor dem Schreibtisch der Entscheidung saß, habe ich meinen Arbeitsvertrag der
Softwarefirma, die Gewinnbescheinigung meiner eigenen Firma und die Einladung
der Chinesischen Universität auf den Tisch gelegt. Nicht geballert denn ich wollte
sehen ob in diesem Bürokratiemonster tatsächlich ein Funken Verstand übrig
geblieben ist. Hier war er übrig, bei der Ärztin die mich wie ein Stück Fleisch
behandelt hat nicht, aber zum Glück verstand sie die Erklärung meines Jahre
zurückliegenden Knieleidens nicht. Der Kniespezialist der den Vermerkt von der
ersten Frau mit der kleinen Menschlichkeit gelesen hatte gab mir nach einem
kleinen Klopfer T5 und fertig war die Sache. Nach dieser Geschichte freu ich
mich schon fast auf den Kritikhagel der auf mich zu donnern wird.
All die
Berliner Bäckerin, Bauarbeiter, Taxifahrer und Wehrdienstleistenden werden es
riechen und mir mit aller feinster Berliner Schnauze entgegenpöbeln. Und ich
werde genau so weiter machen. Ich beschäftige mich weiterhin mit meinen
Brotlosen Künsten der Musik, Kunst, Philosophie und eben des Gelabers. Egal wie
stolz ich auf meine Studien über nachhaltigen Konsum und konsumentenfreundliche
CSR Bewertungen sein kann, für die Leute die es nie lesen werden, ist und bleibt
es Gelaber. Solange es nicht umgesetzt wird ist es das auch, aber ich werde es
weiterhin verteidigen. Denn meine Überzeugung ist das nämlich gar kein
Richtiger Wert hinter der ehrlichen Arbeit steckt. Nun ja als ich mit meinem
Papa die Häuser leer geräumt habe wurde mir oft genug schwarz vor Augen und der
Staub hat meine Sinnesorgane nur so zerstört. Ich habe gelitten und schnell
genug gemerkt, dass das keinen Sinn macht. Warum soll ich mit meinen dünnen
Armen Möbel schleppen und leiden. Es kommt bis auf diese Wertschätzung nichts
bei raus. Ich denke das ist die Definition, ehrliche Arbeit heißt „leiden“. Ich
will nicht leiden und noch vorsichtiger gesagt, ich will auch nicht das irgendjemand
anders leidet. Ich stehe nicht mit der Haltung da, dass ja jemand anderes die
Drecksarbeit machen soll. Nein ich denke etwas weiter. Maschinen sollen diese
Arbeiten machen oder vorrübergehenderweise diejenigen die wirklich leiden.
Jedes mal wenn mir einer über den Weg läuft und sagt die Polen, Inder oder
Chinesen nehmen uns die Arbeitsplätze weg, dann schüttel ich mich vor grenzdenkender Verzerrtheit. Was gibt es denn sozialeres wenn zwei Inder anstatt
ein Schweizer bezahlt werden. Übers Dumping können wir gerne streiten aber
nicht das es unfair wäre die einfache Arbeit denen zu geben die noch weniger
haben. Die meckernden Harz 4 Leute mit Media Markt Flachbildschirm müssen dann
halt endlich mal anfangen zu lesen.
Ab auf die nächste Kulturstufe mit euch,
wir sind bereits in der Zukunft und wollen nach der Wissens- und
Informationsgesellschaft bald frei haben. Oft genug wurde Keynes falsch
verstanden, aber wäre es nicht erstrebenswert wenn wir endlich in das Zeitalter
kommen in dem wir weniger Arbeiten und mehr Leben? Ich bin mir sogar sicher, dass
weniger Arbeit nicht unbedingt weniger effizient heißt. Wenn ich 23 Stunden
Zeit für meine Familie habe, zum Relaxen, zum Lesen, zum Kommunizieren, zum
Reisen, ach was rede ich da, zum Selbstverwirklichen, ja dann habe ich in der
einen Stunde Arbeit die übergenialste Idee die alles revolutioniert. Wenn ich
jedoch 36 Stunden am Tag am Fließband oder vorm Bildschirm hänge verfault mein
kritisches Denken und ich bin zu müde für die geistliche Entwicklung die die
letzte Bremse vor der Vollendung ist. Nun gut Vollendung klingt übertrieben
aber wie im letzten Newsletter beschrieben reicht es jetzt mit dem Schreiben.
Die Intellektuellen sind ja schon alle fast ganz oben angekommen. Jetzt wird es
Zeit das eine kritische Masse den Sprung auf die nächste Kulturstufe schafft.
Wir sind kurz davor das mehr als ein Drittel der westlichen Gesellschaften von
der vorletzten auf die letzte Masslowsche Pyramiedenstufe hoppelt.
Gewagte
Ankündigung aber wann denn sonst als jetzt, wir sind in diesem Jahrhundert
dichter dran als je zu vor, als Gesamtheit von der 24 zur 36 zu gelangen. Und so
versteht sich der Titel richtig und zweideutig wenn ich meine, dass wir nicht
noch mehr Zementmischende sondern Persönlichkeitsentwickelnde Maurer brauchen.
Auch hier wird der Herr Psychologe sicherlich verstehen was ich meine und weiß
warum ich einen anderen Beruf als den im Bild genommen habe. Ich freue mich, dass
der Ursprung meines Namens so gut zu diesem Grundbaustein des Lebens passt.
Maurice der Berliner Maurer der seinen Egoismus standhaft verteidigt, denn
langfristig ist er das sozialste was man machen kann. Nur durch die Bücher
voller Gelaber und auf dem Weg zur Selbstverwirklichung erkennt man, dass die
sozialen Werte auch gleichzeitig die cleversten sind. Und deshalb bin ich sehr
froh, dass ich innerhalb des Berliner S-Bahn Rings wohne denn die meisten
ehrlichen Arbeiter wohnen außerhalb und kommen halt nur zum Arbeiten in das Hoheitsgebiet
der faulen Kreativen lang schlafenden Studenten. Ich bin froh in diesem Umfeld
zu leben und beide Seiten und Argumente zu kennen. Die die mich weiterhin
angreifen kennen meine Argumente nicht und entwurzeln ihre eigenen mit dem Neid
der in der Ausdrucksform mitschwingt. Hört auf die überholte Lebensweise zu
verteidigen und kommt mir nicht mit dem Argument, dass es für das alte Gehirn zu
spät wäre. Meine Mama hat mit über 50 noch englisch gelernt und genau wie im Fitnessstudio
kann man auch diesen außergewöhnlichen Muskel trainieren. Wenn ich in euren
Augen egoistisch erscheine dann fallt ihr nur auf meine offensive Argumentation
rein. Jeder weiß, dass man eine wichtige Rede nicht mit „ICH“ anfangen sollte.
Ich beziehungsweise ICK habe es trotzdem gemacht. Forciert wird hier ein
weiteres oft kritisiertes Problem meiner Persönlichkeit. Ich bin egoistisch und
verstecke das auch nicht. Doch wie jeder habe auch ich die zwei Herzen in
meiner Brust, nur wird das soziale imageträchtigere nicht so sehr präsentiert
und viel wichtiger es bleibt nicht bei direkten und oberflächlichen Taten
stehen. Mir geht es um die tiefenwirksamen und langfristigen Effekte des
Sozialen Geistes. Denn die stehen am Ende überhaupt nicht mehr im Widerspruch
zum individual denkenden. Dieses Thema wird im dritten Juli aber noch mal etwas
Praxistauglicher verdeutlicht, da diejenigen die ich in diesem Lätter generell
anspreche wenn überhaupt den abstrakten Teil gar nicht lesen möchten. Schärfer
gesagt „verstehen“ um einen Bogen zur Danksagung des letzten Newslätter zu
ziehen.
Aber warum sehen wir als Bild, welches ja immer auch
symbolisches Spiegelbild des Textes und der Idee sein soll, nun nicht die
Werkzeuge der Freimaurer oder einen dicken fetten Ziegelstein. Nun ich muss
ehrlich sagen ich habe mich bis jetzt noch nicht viel mit den nicht geheimen,
geheimen Kreisen beschäftigt die diese Ziele verfolgen und will auch keiner
dieser Verschwöhrungsblogger werden. Ich habe eine viel persönlichere Idee
gehabt als ich mit meinem Hauptdiskussionspartner dieses Themas durch die Nacht
von Kreuzberg spaziert bin. Ohne jedes Ziel sowohl geographisch als auch ein
gemeinsames Ziel der Diskussion waren unsere Fronten verhärtet. Es wurde zu
schnell zu diesen entweder oder Fragen, so wie ich es im Text ja auch
beschreibe. Anscheinend gibt es diejenigen die mit der ehrlichen Leidenden
Arbeit und die faulen kreativen die unter unnötigen bösen Blicken das Leben
genießen. Und wie eine Erleuchtung sah ich dann an diesem Straßenschild die
Steckdose die an fast jedem Mülleimer, Regenwasserrohr, Telefonzelle und allen
anderen Orten der Straßenkunst klebt. Die Steckdose ist ein Artwork vom
bekannten Street Artist „SHAF“, der wie ich mal irgendwo mitbekommen habe ganz
einfach Elektriker ist. Eine geniale Vorstellung, einer der kreativsten oder
jedenfalls am weitesten verbreiteten Straßenkünstler Berlins repariert deinen
Sicherungskasten am Montag morgen um acht Uhr. Ich weiß nicht ob es stimmt aber
dieses beidseitige Beispiel zerstört das oft so störende ODER in den Diskussionen.
Eins ist aber auch klar. Dieses wundervolle Beispiel kann nur in so einer
grandiosen Stadt wie Berlin passieren und wahrscheinlich auch nur hier
verstanden werden. Die Teile der Kultur die ich hier bereits gelernt, verstanden
und fast schon zu übereifrig übernommen habe macht es meinen Hamburg Leuten
immer schwieriger mein Insidergerede nach zu vollziehen.
Nur hier kann ich leider keine Abhilfe schaffen wenn ich
die Worte, dick, fett, hässlich, dreckig aus irgendeinem Grund positiv
hinterlege. Berlin ist ranzig und das ist gut so. Das kann man nur verstehen
wenn man hier gelebt hat. Ich denke ich werde trotzdem noch ein paar mal
versuchen das klar zu machen, aber letztendlich bin es auch ich der genau das
dann kaputt macht. Ich bin noch relativ früh, aber um ehrlich zu sein bin ich
auch einer der Touristen die nur dumm rum stehen und sich fragend umschauen wo
denn jetzt der besagte Hype sei. Wenn ich dumm rum stehe muss er ja schon
längst weg sein. Een jlück hab ick mir mit na Balina Schnauze jetarnt. Und
ansonsten verbringt man die immer schönere Zeit mit den anderen Okkupierern in
dieser Stadt. So bot sich am Tag der Deutschen Einheit zufälligerweise ein so
schönes Symbol, dass man es vor lauter Normalität bereits übersehen hätte. Ich
war mit Franzi (aus
der Nähe von Bautzen kommend) im Schlesischen Busch und wir haben in der Nähe
des alten Wachturms unsere Fußballtricks geübt. Ganz beiläufig viel uns dann
auf das wir beide, Ost und West, an diesem Tag der Deutschen Einheit auf
ehemaligem Grenzgebiet datteln. Dank der zahlreichen Geschichtsstunden haben
wir ja nichts vergessen aber diese Leichtigkeit die wohl Traum vieler gewesen
ist kann und ist nur in unserer Generation möglich. Wenn die Träume wahr
geworden sind, sieht man sie fast nicht mehr weil man den Traum voriger
Generationen ja bereits lebt. Unsere Differenzen basieren daher nicht mehr auf Herkunft
sondern ob man raucht oder nicht. Ich denke Franzi kann sich noch ganz gut
daran erinnern wie ich in diesem Monat, ihre Zigarettenschachtel samt Feuerzeug
bei eBay reingestellt hab, als sie es bei mir vergessen hat. Ich versuchte für
die bereits beschriebene Unhöflichkeit der Raucher zu sensibilisieren, Franzi
wollte nur ihr symbolisch so wertvolles Feuerzeug aus Griechenland zurück. Was
für ein idiotisches Luxusproblem, aber es steht als Beweis dafür, dass wir
bereits keine echten Probleme mehr haben. Alles was jetzt kommt ist Unsinn oder
wie es mir lieber wäre, Feinschliff. Auch das ist die Grundausage dieses
Buches, die Objektivität dafür zu schaffen, dass es nur noch um den letzten
Schritt geht. Vom „Streben nach Perfektion“ weg und hin zum Streben zur, ja und genau
hier fehlt mir das Wort. Hin zur Dreißigundsechs.

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