Donnerstag, 24. März 2016

Ich bin glücklich

Das dritte Kapitel vom Rice Newsletter Projekt vom 24. März 2006. Alle Newsletter könnt ihr unter diesem Blogartikel via Paypal kaufen. Alle veröffentlichten Kapitel findet ihr hier.

Ich muss zugeben bis jetzt habe ich noch nicht so viel gecheckt. Bis hierhin war alles nur Vorgeplänkel und wenn ich von großen Geistern oder Ideen spreche klingt es ziemlich überheblich. Aber meine Entwicklung geht ja hier überhaupt erst los. Und der wichtigste und richtungsweisenste Moment im Leben sagt sicherlich sehr viel darüber aus, in welche Richtungen ich gehen werde. Nun als ich hier in Kreuzberg angekommen bin, sollte es nun endlich losgehen. Endlich hatte ich ein Umfeld gefunden in dem ich mich entfalten und selbst verwirklichen konnte. Natürlich geschieht auch dies nicht von einem Moment auf den nächsten aber ich würde das, was in den nächsten drei Jahren passiert nicht als linear sondern als exponentiell beschreiben. Über diese Vorahnung war ich dann also sichtlich glücklich, aber noch nicht weniger durcheinander. Schon mein erstes Willkommensessen ließ meinen Mund offen stehen bei diesen Gesprächsthemen. Ich wollte mehr davon und vor allem wollte ich die Ruhe und die Basis finden um mitreden zu können. Ich habe dieses Ritual des Wilkommensessen in der Köpi bis heute weitergeführt. Jeder neue Mitbewohner, der in diese WG einzieht bekommt am ersten Abend ein Dinner serviert um an den Gesprächen zu Tisch zu merken woran er ist.

In der Begrüßungsaufzählung finden sich die Bekanntenkreise wieder von denen ich ja bereits ein paar kleinere Geschichten erzählt habe. Auch die sonderbaren Spitznamen die ich für scheinbar jeden anwende werden aufgezählt. Dies soll den Kontrast zum letzten Wort herstellen welches unter einer hohen Quantität oft an Wert verliert. Das Wort Freunde steht höher und ist wertvoller und wird daher auch nur bei Beziehungen mit Qualität angewandt. Ich nehme an, dies war zu dieser Zeit eine kleine Kritik an meine Freunde die nicht wirklich ihre Eigenschaften zeigen konnten.

Und Berlin liebt dich 2


Und selbstverständlich geht es immer noch um meine Phasen. Ich war mal in Bremen in diesem abgestürzten Ufo und habe ein paar dieser Hirnjogging Spiele ausprobiert die jeder Marketingdozent gerne als Beweis dafür anbringt wie leicht der Mensch doch zu manipulieren ist. Eins davon war das mit den geschriebenen Farben. Das Wort einer Farbe in einer anderen Farbe schreiben. Immer wieder erstaunlich wie schnell es einen verwirrt. Anstatt das mit beliebigen Farben zu machen, habe ich es mit meinen drei Farben gemacht. Es ist auf dem Bild nicht allzu gut zu erkennen aber da steht dann BLAU in pink oder gelb geschrieben. Oder PINK in gelb oder blau geschrieben. Das dann sehr oft und schon ist das Gehirn vollkommen durcheinander. Dies soll einerseits verdeutlichen dass all diese Farben und die dazugehörigen Eigenschaften meinen Charakter bilden. Die Grenzen sind nicht so einfach zu ziehen wie ich es gerne mit meinen Lebensabschnittscuts beschreiben möchte. Selbstverständlich überwiegt nun das blaue, aber im Allgemeinen ist es nie eine Frage des „oder“. Genauso wenig wie der Mensch gut oder böse ist, bin ich blau oder gelb. Ich bin beides mit verschieden hohen Ausprägungen und Tendenzen. Überlappend ist dann wieder der Berlin liebt dich Slogan zu finden. Allerdings ein klein wenig abstrahiert. Die Lehrzeichen befinden sich nicht zwischen den Wörtern sondern jeweils nach drei Buchstaben. Das soll wenigstens ein bisschen zum Entschlüsseln anregen. Später habe ich das gleiche in Schablonenform und hunderten Versionen wiederholt. Aber dies war eines der ersten Artworks in meiner neuen Umgebung. Leider wurden sie aus irgendeinem mysteriösen Grund, den ich später noch raus finden sollte immer ziemlich schnell vernichtet. Nun könnte ich sagen, was soll’s, ich hab ja das Foto, aber an Orten an denen ich jeden Tag vorbei gehe sehe ich dann doch schon gerne meine Hundemarke. Und dieser Ort soll noch weitreichend mehr Bedeutung bekommen. Auf diesem Foto kann man nicht erkennen wo man sich befindet aber genau hinter dem Schild fließt die Spree in Richtung der Pfeile obwohl das Meer in der anderen Richtung liegt. Und auf der anderen Seite der Spree steht das längste erhaltene Stück Berliner Mauer. Die East Side Gallery. An einem so bedeutendem Ort kann man sich im Gegensatz zum Wedding nur mit der Geschichte auseinandersetzten. Das Tat ich dann auch und ich sollte einen großen Teil des Charakter der hinter diesem Boden steht auch annehmen. Gemischt mit meiner alten Weltsicht scheint dies eine paradoxe Mischung zu sein. Aber wie bereits erwähnt halte ich sie für mehr als perfekt. Sie ist genau das, was wir für die Zukunft brauchen. Ich werde versuchen sie zu erklären denn das ist es worum es hier geht.

Aber zurück zum Text. Ich war mir bewusst darüber das die Rückkehr zur blauen Phase, also zur Emotionalität, dazu führen kann das die Emotionen negativ sind. Was heißen soll, dass man weint, sich schlecht fühlt und tiefer gelangen kann als die Realisten. Und so ging es mir selbstverständlich Anfangs überhaupt nicht gut da meine Liebe weggelaufen ist. Ich meine mit ihr war es auch nie sonderlich schön und eigentlich bin es ja ich der nach Berlin weggelaufen ist, aber man weiß was man hat wenn man es nicht hat und dann ist man traurig. Aber es war an der Zeit für mich, ähnlich wie die Designer von VW den Golf zu entwickeln. Die Energie dazu sammelt sich bereits an und wie ein Schaaf was jetzt die neue Wiese erreicht hat dreh ich erstmal ein bisschen durch. So ein tolles neues Umfeld das ich gar nicht weiß wo ich zuerst anfangen soll zu essen. Und ganz von alleine pass ich mich dann erneut meinem Umfeld an.

Anpassen ist eines dieser Wörter die im allgemeinen Sprachgebrauch so negativ belastet sind. Aber ich meine es nicht negativ sondern einfach wie es ist. Jeder Mensch ist das individuelle Ergebnis der Einflüsse von außen. Ich will ja nicht sagen dass ich irgendwen kopiere und selbst das kann man auch positiv interpretieren. Wie dem auch sei suche ich mir die besten Einflüsse aus allen Ecken raus und versuche sie in meiner eigenen Version umzusetzen. Die Leute die auf diesem vollkommenem Individualtrip sind und meinen sie würden sich niemals anpassen, lügen oder wissen selber nicht das ihre eigenen Ideen natürlich nicht aus der Luft gegriffen sind. Deswegen sind wir ja Menschen weil wir die Ideen gemeinsam weiterentwickeln. Selbst wenn man antizyklisch, und das ist es was von außen oft von mir behauptet wird, handelt, ist ja die Tatsache das ich die Idee des antizyklischen auch wieder von irgendjemandem übernommen habe.

Das nur soweit zur Verteidigung der Anpassung. Nun aber zu etwas was sich nur schwer in Worte fassen lässt. Ich bin das seltsame Gemisch einer Person der extremen Positionen, also ziemlich außergewöhnlichen Sichtweisen und gleichzeitig ein Mensch der die „Oders“ nicht mag. Das scheint ein Widerspruch, dass es ja entweder diese Ja-Nein, Schwarz-Weiß Extremos gibt oder die Personen die immer Jein oder Beides sagen und die Welt in tausenden Graustufen sehen. Da ich der letzteren Gruppe angehöre, gehöre ich in diesem Punk auch der ersteren Gruppe an. Hä? Na Ja wenn es für mich kein ODER gibt, dann gibt es das auch nicht in diesem vorangegangenem Satz. Da ich in meinem Newsletter die Leute nicht mit einem solch verwirrenden Text quälen wollte, wählte ich die einfach aber schlechte Methode der Beispiele. „Rastet aus und kommt gleichzeitig 100% klar. Macht ein Powernickerchen und geht dann rauschen. Besucht andere Bereiche, entspannt aber gleichzeitig in den alten Welten. Bewegt euch an andere Orte und fangt neu an. Kommt zurück und genießt die intensiven Gefühle. Frühstückt ein Cornetto mit Aal und Vodka-Cavier Soße und esst einen 1€ Döner zum Mittag. Hört Tom Jones und Prince. Tut 24 Sekunden nichts und habt Respekt. Macht euch nicht so viele Gedanken über diese Mail und geht ein paar Schritte zurück.“

Ich habe die Reihenfolge vom Original ein bisschen verändert aber ich denke die Idee wird klarer. Es sind meine Erfahrungen der ersten Zeit, die scheinbar widersprüchlich sind aber zusammen doch so viel mehr bewirken. Immer bevor ich ins Berghain gegangen bin habe ich davor geschlafen. Manchmal bis sieben oder acht Uhr morgens und hab dann mit dem klingeln des Weckers ein paar Bier geext und bin sofort los. Noch ein bisschen schlaftrunken und mit vollen Batterien habe ich dann so ausgiebig und lange getanzt wie es normalerweise ohne Drogen nie möglich wäre. Seid den Raves unter Ibizas Sonne hab ich es fast in Frage gestellt warum man Nachts feiern geht. Den ganzen Samstag irgendetwas machen und dann nachts noch los gehen? Da wird man halt einfach irgendwann müde oder fängt an Sachen zu essen die das verhindern nur weil man sich anscheinend dafür schämen muss im Wettkampf des länger Feiernden nicht verlieren zu wollen. Ich meine ich habe diese Wettkämpfe lange genug mitgemacht und natürlich meistens gewonnen aber im Berghain geht das halt nicht mehr. Natürlich weiß ich seit den Goa Raves auch das der Höhepunkt des Rauschs meist Nachts ist, aber auch dann brauch ich mich lediglich meinem Umfeld anzupassen um dasselbe zu fühlen. Ich wurde oft für den breitesten Drogenfreak der ganzen Nacht gehalten obwohl ich lediglich Wasser getrunken habe oder ab und zu mal zwanzig Bier. Ich will hier keineswegs die Drogenleute kritisieren, im Gegenteil, als ich euch verteidigt habe, hat meine Emotion mich dazu gebracht mit dem Schreiben anzufangen. Ich will nur ein bisschen Imagewerbung für meine Herangehensweise machen. Ich verfalle nicht dem extrem der Drogen aber ich kann in eine ähnliche Trance verfallen und aus mir raus kommen. Und wenn ich eine Oder Wahl treffen müsste würde ich sicher nicht das Leben der 1,0 Abi Leute wählen, die den Sinn für jegliche Balance verloren haben und denken Bücher wären Abenteuer. Ihr seid die einzigen die mein Buch sofort weglegen dürft und das nächst beste Besäufnis aufsuchen solltet. Studieren bedeutet Persönlichkeitsentwicklung und das bedeutet nachts besoffen aus einem Chinesischen Taxi zu kotzen und nächsten Tag das grandiose Kater-Filmriss Puzzle zu spielen. Aber wenn schon mal die Veranlagung für diesen Extremismus vorhanden ist werdet ihr auch auf der Seite auf Dauer nicht glücklich. Macht beides extrem, denn nur dann wisst ihr wo ihr euch auf der Skala befindet. Nur dann weiß man was man an der alten langweiligen Heimat, die sich nie verändert, hat. Und nur wenn man bei Sven Väth im Silk auf den Bettchen liegt und ein grandioses 15 Gänge Menü nascht, wie sehr man den ein Euro Döner in Berlin schätzt. Auch hier steckt wieder eine ewige Geschichte hinter aber die ist nicht von mir sondern der Kindheit von Techno- in Deutschland. Noch mal, ich bin so alt wie Techno, ich bin Techno und ich liebe die beiden verhassten Geschwister (Frankfurt und Berlin) weil nur durch ihre Konkurrenz eine so hohe Qualität entstehen konnte. Das ist im Übrigen auch auf alle anderen kulturellen und gesellschaftlichen Bereiche ein Vorteil von Deutschland.


Wollen wir aber mal nicht zu doll vom Text abschweifen denn sonst verlier ich noch die Struktur. Das Zitat von Bruce habe ich noch mit rein gebracht weil ich sein Image liebe. Endlich wird Schwul Cool im Mainstream und sogar die äußersten Brandenburg Prolls fangen an pinke Shirts zu tragen. Im Vergleich zum Rest der Welt habe wir nach der Gleichberechtigung dann endlich auch dieses Ziel erreicht. Natürlich nicht vollständig und zufriedenstellend aber mit einem globalen Realismus sollte man sich über Mindestziele genauso freuen wie die Schweine die leben dürfen. Klingt jetzt ein bisschen krass, aber es soll bitte klar gestellt sein das es ja nicht meine Entscheidung ist sondern die Massensichtweise die sich verbessert hat. Und besser muss nicht unbedingt gut bedeuten. Es kann auch einfach heißen weniger schlecht. Und genau das heißt es in diesen Fällen auch. Keine Sorge, es wird schon noch schnell genug und hoffentlich rechtzeitig Gut. Wie uns ein gewisser Visionär alsbald verkünden wird.

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